An einem 'ich ruh mich zuhause aus' - Tag' schiebe ich gerade Mikro-Decal Niete auf ein TT-Modell, muss dabei immer mal wieder Pause machen, weil es viel Konzentration erfordert und bei mir als Raucher der Nikotinspiegel sinkt. Dabei lenke ich mich im Board ab, wo gerade nicht viel los ist... und stolpere mal wieder über diesen von mir schon lange verfolgten Thread:
Da denke ich mir: Leute, warum macht Ihr Euch gegenseitig eigentlich solchen Stress. Jede Seite hat in einigen Punkten recht und ist in anderen Punkten irgendwie voreingenommen - und irgendwie scheinen mir Manche manchmal etwas verbohrt.
Die Lok gehört nicht in mein Beuteschema, falsche Bahnverwaltung, aber ich habe ihre Entstehung und die Diskussion interessiert verfolgt, weil sich ja doch irgendwie abzeichnete, dass da ein neuer Hersteller etwas ganz besonderes schaffen will. Und nun gibt es Streit darüber ob das gelungen ist. Auch den verfolge ich, schaue mir diverse Fotos an.... Ich besitze diese Lok nicht, kann nichts selber testen, möchte aber versuchen die bislang bekannt gewordenen Fakten zum Modell in einer art 'virtuellen' Kritik zu bündeln.
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Je greller das Licht, desto stärker der Schatten:
Ein aus dem Forum extrahierter 'virtueller Testbericht'
Einige Modellbahner hatten sich eine Weltklasse-Lok erhofft. Und wenn man das Modell im ersten Moment betrachtet, sieht man die Hoffnung erfüllt: Eine solche Menge und Feinheit an Details, eine solche Detailverliebtheit, war bei Modellen in TT bis vor kurzem kaum vorstellbar und lange nicht erreicht. Mittlerweile gibt es einige wenige Damplokmodelle, auf dem hier zu sehende Niveau, übertroffen wird es bislang nicht. Auch und gerade wenn man die diversen Extra-Features des Gesamtpaketes betrachtet: Ein mit vielen Details gestalteter und beleuchteter Führerstand, Triebwerksbeleuchtung, Feuerbüchsenflackern, sind in TT bis heute selten zu findende Extras.
Bei genauer Betrachtung findet man aber doch überraschende Schwächen. Die Radblenden des Tenders sind in Bezug auf Feinheit nicht auf dem Stand des restlichen Modells, auch die Feinheit der Räder und Speichen konnten andere Hersteller schon besser gestalten. Der verwendete und nicht lackierte rote Kunststoff wirkt teilweise eben wie... 'Kunststoff'. Schade. Auch der Umlauf ist bei einigen Modellen mehr oder weniger wellig, selten mal wirklich präzise gerade. Das sieht manch einer als Mangel, da ist der Konstrukteur in Bezug auf Material und Stärke scheinbar an eine Grenze gegangen, die einfach Folgen hat. Gleichzeitig sieht man auf Vorbildfotos, dass der Umlauf auch im Original nicht immer wirklich vollkommen gerade war. Insofern insgesamt: Immer noch ein gutes Modell, aber eben doch nicht der 'neue Maßstab'.
Der Hersteller hatte das Vorbild im Original vermessen, musste bei den Treibrädern Kompromisse eingehen um das Modell auf üblichen Radien fahrbar zu gestalten. Ob er die richtigen Kompromisse gewählt hat oder andere Varianten doch stimmiger ausgesehen hätten, wird kaum jemand entscheiden können oder bleibt Geschmackssache. Warum aber der Kohlekasten oben am Tender in den Maßen doch deutlich daneben liegt, ist ein Rätsel. Konstruktive Gründe gibt es da nicht. Wer das Vorbild wirklich kennt und live gesehen hat, oder Vorbildfotos aufmerksam mit dem Modell vergleicht, wird bemerken: An dieser einen Stelle stimmen die Proportionen eindeutig nicht. Wer das Vorbild nicht so genau betrachtet, merkt es nicht. Aber auch das ist schade.
Trotzdem bleibt der Gesamteindruck ziemlich beeindruckend. Ein im Maßstab TT filigran gestaltetes Modell, welches vielleicht nicht in jeder Beziehung neue Maßsstäbe setzt aber in der Gesamtheit auch von kaum einem anderen Übertroffen wird.
Doch es gibt einen zweiten Aspekt zu berichten: Da steht vorne ein Bauteil eindeutig leicht schief, weil der Konstrukteur offensichtlich ein Montage-Detail erst nicht bedacht und dann nicht bemerkt hat. Häufiger sind auch andere Teile schief oder lose, in vielen Fällen aller Wahrscheinlichkeit nach, weil die Verpackung zu straff anliegt. Vieles lässt sich da mit wenig Aufwand richten. Manche Bauteile sind an manchen Modellen aber auch schief verklebt oder weisen Klebeflecken auf, da fehlt das letzte Finish bei Montage und Qualitätskontrolle.
Das ist bei einigen Expemplaren des Modells in der Häufung auch mal ärgerlich und kann zu berechtigten Reklamationen führen: Ob diese zur Zufriedenheit abgewickelt werden, muss sich in den kommenden Wochen zeigen.
Gleichzeitig wird aber überwiegend berichtet, die Lok weise hervorragende Fahreigenschaften auf, befahre weitgehend jedes denkbare Gleisbild ohne Murren und das mit beeindruckender Zugkraft. So viel ziehen wenige andere TT-Lokomotiven auch steilere Rampen hinauf. Dem Conoisseur wird gefallen: Das Modell wird wirklich über die Treibräder angetrieben. Nicht im Tender! Trotzdem ist zwischen Fahrwerk und Kessel ein vorbildlich freier Durchblick möglich - samt nachgebildetem dritten Zyleinder - und keinerlei Antriebsmechanik optisch zu erahnen. Das ist in TT nun wirklich eine Seltenheit.
Bei so viel Licht gibt es aber wieder auch Schatten: Die Rückstellfeder der Kupplung am Vorläufer scheint etwas labil konstruiert. Da berichten einige Besitzer gelegentlich von Problemen, die sie meist mit kurzer Bastellei beheben konnten. Nun ist das wahrlich nicht der einzige Fall, in dem ein TT-Modell rund um das Fahrwerk doch eine spezielle konstruktive Schwäche hat. Aber auch das kann im Einzelfall ärgerlich sein. Genau wie ein elektronisches Bauteil, das scheinbar etwas unterdimensioniert oder mit zu hohen Serierstreueung eingebaut wurde und bei einigen Modellen das Feuerbüchsenflackern nach kurzem Rauchzeichen enden lässt.
So haben wir ein in Modell welches bei Fahreigenschaften und Feinheit der Detaillierung wirklich in der obersten Liga gut mitspielt - aber eben doch einige Schwächen hat. Von denen lassen sich einige für kommende Serien/Varianten der Lok herstellerseitig hoffentlich beseitigen oder durch bessere Qualitätskontrolle minimieren. Andere bei dieser Konstruktion kaum noch wirtschaftlich veränderbare Fehler wird Saxonia hoffentlich künftig vermeiden.
Insgesamt ein in vielen Aspekten wirklich auf Spitzenniveau liegendes Produkt mit einigen Schwächen, die teilweise viele Modellbahner allerdings kaum bemerken werden, während andere Schwächen mit wenig Aufwand vom Besitzer einfach behebbar sind und manche einfach vorhanden bleiben.
Bei alledem würde ich im Hinterkopf behalten, dass dieses Modell zwar zu einem im aktuellen Vergleich gehobenen aber in keiner Weise 'abgehobenen' Preis angeboten wird. Wer eine derartige Filigranität bei gleichzeitiger hoher Alltags-Anlagentauglichkeit und jede Menge Elektronik-Beleuchtungs-Extras auch noch mit handverleser Qualitätskontrolle und garantiert fehlerlos erhalten möchte, musste bisher nicht nur in TT sogar mehr Geld bezahlen. Und die meisten anderen Modelle die zur Zeit ihres Erscheinens neue Maßstäbe gesetzt und ihren Besitzern Freude gemacht haben, hatten durchaus auch den einen oder anderen Schwachpunkt. Gab es bislang überhaupt ein Modell, welches in diesem Forum nicht für irgend einen Mangel oder falsch umgesetztes Detail kritisiert wurde?
Mein persönliches Fazit: Nicht Weltklasse - aber klasse.
Und für den Hersteller: Gelungenes Debüt mit künftig zu vermeidenden Schwächen.
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So, das mal als Versuch einer fairen und so weit möglich 'objektiven' Zusammenfassung des hier Gelesen und Gesehenem mit einem Hauch 'subjektiver' persönlicher Wertung.
Sollte ich etwas Wesentliches übersehen oder verwechselt haben, bitte ich um Entschuldigung. Es sollte auch keine Doktorarbeit werden und während ich dies schrieb ist an der Stahlträgerbrücke schon die Hälfte der Nieten sogar ziemlich gut aufgebracht - aber dazu demnächst mehr in einem anderen Thread.
Und Nachtrag: Lustig, im übernächsten Post zitiert Liwitt als Reaktion auf diesen Post sich selbst ;-)