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TT-Historie: Die Anfänge beim TT-Pionier ROKAL

Klein_Elektro_Bahn

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Nettetal-Lobberich
TT-Historie: Die Anfänge der TT-Modellbahn, Eugen Engelhardt trifft auf Robert Kahrmann

Der heimatvertriebene, arbeitslose Elektroingenieur Eugen Engelhardt aus Geneicken, einem kleinen Ort bei Mönchengladbach, hörte Anfang 1946 in einer Nachrichtenmeldung im Radio, dass in der britischen Besatzungszone die Herstellung von Spielzeug freigegeben wurde. Engelhardt hatte eine spontane Idee. „Ich baue eine Eisenbahn!“, rief er seiner Frau zu. Er setzte sich an den Küchentisch und erstellte seine erste Konstruktionszeichnung einer elektrisch angetriebenen Modelldampflok.

Seine Modelleisenbahn sollte an die beengten Wohnverhältnisse im Nachkriegsdeutschland angepasst sein. Darum musste sie kleiner als die bereits bekannten H0-Bahnen werden. Aber "Anpacken", wie Engelhardt es nannte, sollte man sie auch können. So wählte er eine 12 mm-Spur für seine Eisenbahn, die später als Spur TT ("Table Top" = Tischbahn) bekannt wurde.

Bereits im Frühjahr 1946 war nach seiner Konstruktionszeichnung ein funktionsfähiges Handmuster entstanden. Als Materialien für den Bau der Lok verwendete Engelhardt zurechtgefeilte Bleche einer Konservendose und den lackierten Wicklungsdraht einer elektrischen Türklingel für den Motor, die Zahnräder eines Weckers für das Getriebe und Stricknadeln für die Achsen der Räder. Die Räder ließ Engelhardt aus Messing in einer Schlosserei drehen. Handgeschnitzt entstand noch der Körper der Lok aus Holz, mit schwarzer Schuhcreme eingefärbt.


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Die ROKAL-Urlok "Baby" von Eugen Engelhardt [Quelle]

Aus gebogenen Gardinenstangen entstanden die Gleise, die auf einem Brett befestigt wurden. Ein Klingeltrafo mit 8 Volt Wechselspannung diente der Stromversorgung. Damit konnte die Jungfernfahrt beginnen. Die kleine Lok fuhr auf Anhieb und ohne zu stottern. Der Anfang war gemacht.

Die Suche nach einem Unternehmen, das die kleine Bahn zur Serienreife bringen und produzieren konnte, führte Engelhardt nach Lobberich am Niederrhein zum Unternehmen von Robert Kahrmann, das Zinkspritzgussteile für Sanitärarmaturen fertigte und dafür auch die Formen baute.

Im Mai 1946 stand Engelhardt zum ersten Mal im Büro von Robert Kahrmann. Auf dessen Schreibtisch wurde das Gleisbrett platziert, die Lok darauf gestellt, der Stecker des Trafos in die Steckdose gesteckt - und wieder drehte Engelhardts Musterlok "Baby" emsig ihre Runden. Kahrmann sah der kleinen Lok interessiert zu und beschloss dann: „Herr Engelhardt, diese Bahn bauen wir zusammen, wenn Sie wollen!“ (gekürzter Text, Quelle: Wikipedia)


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Das Treffen von Robert Kahrmann (li.) und Eugen Engelhardt (re.) [Karikatur von Hans Füsser]


Dies war der Beginn einer erfolgreichen, 22-jährigen industriellen Modelleisenbahnproduktion der ROKAL GmbH (ROKAL von Robert Kahrmann Lobberich) vom Produktionsstart 1948 bis zur Produktionseinstellung 1970 aus betriebswirtschaftlichen Gründen.

Damals war ROKAL-TT die kleinste Modellbahn am Markt. Heute sind ROKAL-TT Modelleisenbahnen begehrte Sammlerstücke.

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TT-Historie: Der unbekannte Verbleib der ROKAL-Urlok "Baby"

2008 organisierte ein kleines, siebenköpfiges Team der ROKAL-Freunde Lobberich mit der Unterstützung von 31 Leihgebern eine große ROKAL-Sonderausstellung zum Jubiläum "1948 - 2008: 60 Jahre ROKAL-TT Modelleisenbahn". Während der dreimonatigen Ausstellungsdauer im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath wurden in 33 Großvitrinen mehr als 1.000 Exponate 16.270 zahlenden Besuchern präsentiert. Die Ausstellung war damit ein großer Erfolg.

Im Vorfeld der Ausstellung wurde bei der Familie Engelhardt wegen einer gewünschten Leihgabe der ROKAL-Urlok "Baby" angefragt. Diese einzigartige Modelllokomotive, die Eugen Engelhardt im Mai 1946 Robert Kahrmann in dessen Lobbericher Büro vorführte und die den Anstoß zur Entwicklung der ROKAL-TT Modelleisenbahn gab, war zuletzt 1993/94 während der deutlich kleineren ROKAL-Ausstellung im Rheinischen Freilichtmuseum in Kommern zu sehen gewesen.

Durch die Anfrage auf dieses "wertvolle" Stück im Familienbesitz aufmerksam geworden, folgte anstelle einer Zusage der vorübergehenden Leihgabe für die Jubiläumsausstellung eine ebay-Auktion mit dem Titel "DIE ROKAL LOK" zum "wohlüberlegten" Startpreis von 101.001,01 Euro. Angehängt war eine recht flappsige Artikelbeschreibung und ein unscharfes Foto des kaum identifizierbaren Artikels. Glücklicherweise hatte ich mir das Auktionsangebot damals farbig ausgedruckt ...
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Originales ebay-Auktionsangebot vom November 2007


Diese ebay-Auktion diente mit dem absolut überhöhten Startpreis allein der Suche und Kontaktaufnahme eines finanziell potenten ROKAL-Sammlers. Gemäß einer Nachfrage kam es dann tatsächlich zu einem Kauf (oder Mietkauf auf Lebenszeit?) dieser einzigartigen, historisch bedeutsamen Modelllok (rechts im Bild) aus der "Vor-ROKAL-Zeit".

Über den Namen des damaligen Käufers und den Kaufpreis wurde mit der Familie Engelhardt absolutes Stillschweigen vereinbart. Gezahlt wurde sicherlich deutlich weniger als der Startpreis der Auktion. "Man munkelt" von einem Betrag im ganz niedrigen fünfstelligen Bereich. Immerhin! Ob das aber wirklich so stimmt ...??

Engelhardts ROKAL-Urlok "Baby" ist seitdem im Fundus eines unbekannten ROKAL-Sammlers verschwunden. Im ROKAL-TT-Museum in Losheim/Eifel kann daher aktuell leider nur ein Replikat der ROKAL-UrLok bestaunt werden ...


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Die TT-Ursprungslok "Baby" von Eugen Engelhardt, hier leider nur als vorbildgetreues Replikat.


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TT-Historie: ROKAL ist gefährlich!

Im 2. Weltkrieg wurde vor allem die metallverarbeitende Industrie zur "Herstellung kriegswichtiger Produkte" insbesondere für die Wehrmacht herangezogen. Ob nun freiwillig aus Überzeugung oder auf Druck von "Oben", alle diese Aktivitäten waren in Kriegszeiten "Geheimsache" und in den Nachkriegsjahren den Unternehmen "unangenehm". Bei ROKAL sollen, so heißt es, Zünder-Komponenten für die so genannte "Vergeltungswaffe V1" hergestellt worden sein.

Am 19. Februar 1945, also nur wenige Wochen vor dem Kriegsende, geschah das große Unglück: Eine heute wohl als "Marschflugkörper" zu bezeichnende "V1" schlug auf Ihrem Weg "gen England" wohl wegen eines Triebwerkschadens fehlgeleitet auf der unteren Hochstraße in Lobberich ein ...

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Foto aus der Nachkriegszeit: Vorne die Baulücke an der Stelle des ehemaligen Hotel Köster
an der Lobbericher Hochstraße, direkt gegenüber dem Eingang zum Ingenhovenpark [Quelle]


Die sprengkraftstarke "V1" traf das Hotel Köster, in dem eine unbekannte Anzahl Wehrmachtsangehörige (mutmaßlich 40 Offiziere eines letzten Aufgebotes namens "Volkssturm") untergebracht war und bei der V1-Detonation ums Leben kam. Ebenso wurden 35 Zivilisten getötet und an die Hundert verletzt. Knapp zwei Wochen später zogen die Amerikaner in den Ort ein und der Krieg war in Lobberich zu Ende.

Der "Treppenwitz" der ganzen Geschichte liegt in der Tatsache, dass Haus Erlenbruch, der Familiensitz von Unternehmer Robert Kahrmann, keine 80 m vom Einschlagsort entfernt im Ingenhovenpark liegt. Bei der Detonation der "V1" auf der Hochstraße gingen im Haus Erlenbruch Fensterscheiben auf der Straßenseite zu Bruch. Von der Familie Kahrmann kam dabei aber niemand zu Schaden ...

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So wäre dem ROKAL-Chef Robert Kahrmann beinahe eine "V1" mitsamt eines im eigenen Unternehmen produzierten Zünders - bildlich gesehen - "auf den Kopf gefallen". Die ROKAL-TT Modelleisenbahn hätte es dann sicherlich niemals gegeben.

Glücklicherweise konnte Robert Kahrmann nur 15 Monate später den Tüftler Eugen Engelhardt in seinem Büro empfangen. Nach dessen gelungener Vorführung der kleinen, aus einfachsten Mitteln gebastelten Modelllokomotive "Baby" entschied Kahrmann: "Herr Engelhardt, diese Bahn bauen wir zusammen, wenn Sie wollen!" Es folgte ab 1948 eine erfolgreiche industrielle Großserienproduktion der damals ersten TT-Modelleisenbahn, die 22 lange Jahre fortdauerte ...

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Tja, aber letztlich war es Rokal selbst, die den eigenen Untergang einleiteten. Bei aller Inovation waren es die Fehlentscheidungen für 1:120 Modelle in 1:x zu konstruieren. Rokal hatte keinen festen Maßstab und die Spielmodelle waren häufig um die 1:100. Als in den 1970er Jahren mehr Wert auf vorbildhafte Modelle gelegt wurde, war Rokal ganz fix raus. Die Fehlentscheidungen der Spielbahner von Rokal rächten sich nun. Da half es auch nichts, dass man von BTTB nun halbwegs maßstäbliche Modelle mit globigen Rokalkupplungen verkaufen wollte. Rokal hatte den Trend der Zeit einfach nur verpennt und ging zu Recht in die Pleite. Wer das nicht wahr haben will, der stelle einen Zug von BTTB mit den gleichen Wagen einem Zug von Rokal gegenüber. Wer es dann noch nicht begriffen hat, der möge seine Rokalflagge über seinem Bett anbeten ...
Klar war es toll, wenn man in der Schreibtischschublade ein Groß-BW unterbringen konnte, nur, wer wollte das vor einem halben Jahrhundert wirklich noch? Die Straßenbahnradien mit einem TEE waren einfach nur noch Spielzeug, aber keine Modellbahn.
Natürlich kann man auch ein Hoch auf die Rokal-Kupplung singen, aber die war trotzdem nur unförmig, gewaltig groß und ich wüsste nicht, welchen Vorteil sie gegenüber anderen gehabt hätte. Selbst Zeukes uralte Kupplung war filigraner.
 
Das ähnliche Schicksal, mit ein paar Jahrzehnten Verzögerung, ereilte auch die Firma TRIX mit dem Express-System. Hier hat das Festhalten an den Greenly'schen Prinzipien auch dazu geführt, dass die Selbständigkeit aufgegeben werden musste. Immerhin hat die Marke als Gleichstromsegment von Märklin überlebt und für die zahlenmäßig ( mittlerweile so Alter 75+ ) jedes Jahr kleiner werdende TRIX-Express-Kundschaft gibt's auch noch ein paar Modelle.
 
Die Fa. Rokal ist nicht wegen der, vergleichsweise kleinen, Modellbahnproduktion pleite gegangen. Sondern wegen Problemen mit den Hauptprodukten. Das sollte sich doch herum gesprochen haben.

Daniel
 
@Daniel,
die Einstellung der Modellbahnproduktion war 1970, die Firma hat noch, wenn auch später nur noch als Fertigungsstandort von Hansa, immerhin bis 2008 weitergemacht. Da war Produktpolitik und Leitung längst nicht mehr in den Händen von Herrn Kahrmann oder seiner Familie.
 
Kurz einige Anmerkungen zu den vorstehenden Beiträgen ...

- Die Gründe des Niederganges des Unternehmens ROKAL GmbH, die zur Eröffnung des Konkursverfahrens im Februar 1974 führten, sind hier (in den letzten beiden Texteinheiten) nachzulesen. Die Modelleisenbahn war jedenfalls nicht der Auslöser, weil für das Gesamtunternehmen wirtschaftlich nebensächlich.

- ROKAL fertigte bekanntermaßen nicht genau im Maßstab 1:120. Der Ursprung dazu rührte aus der anfänglichen Metalldruckgusskonzeption und dem Produktionsbeginn in der frühen Nachkriegszeit mit der vorherrschenden Mangelwirtschaft.

- Die Gleisradien der verschiedenen ROKAL-Gleissysteme (vier Gleisgenerationen über 22 Jahre Produktionszeit) entsprachen denen der damaligen TT-Hersteller in der DDR (Zeuke & Wegwerth) als auch in England (Tri-ang) und waren zu dieser Zeit "TT-Standard".

- Die ROKAL-Kupplung wirkt zwar etwas klobig, ist aber "multifunktional". Sie ermöglicht ein fahrrichtungsabhängiges Entkuppeln auf dem mechanischen Entkupplungsgleis. Die Standard-Kupplung der N-Bahn basiert bis heute auf einen Lizenzbau der patentierten ROKAL-Kupplung. Funktionssicherheit steht hier vor Filigranität.

- Eine angebetete ROKAL-Flagge über dem Bett? Ich kenne niemanden, der das so handhabt ...

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Man sollte aber nicht glauben, dass ROKAL TT erfunden hat. Erste Ideen dazu gab es schon bei Bing um 1912-20 herum, man scheute aber vor den Kosten für solch kleine Antriebe zurück ( die man hätte schon fertigen können ). In den Modellbahnerkreisen beiderseits des Atlantiks spukte die Idee also latent herum. Mr. H.P. Joyce wählte dann 1945 den Maßstab 1:120, weil aus dem Architekturbereich 1/10" = 1' ein gängiger Maßstab war. Er begann schon 1946 mit der Produktion, weil kriegsbedingt einiges Know-Know im Fertigen kleiner Motoren mit Permanentmagnet und dem Herstellen kleiner Druckgussteile sich angesammelt hatte.
 
Eigentlich müsste es richtig heißen 1 ft = 1' = 12 in = 12'' und 12 mm = ca. 1/2'' und 1:120 = 1'' : 10' (zölliger Architektur-Maßstab) = (1/10)'' : 1' !

Heizers Text "drumherum" ist m.E. aber zustimmungsfähig, denn ...
... In den Modellbahnerkreisen beiderseits des Atlantiks spukte die Idee also latent herum ...
..., ohne dass die Konstrukteure auf der einen Seite etwas von den Aktivitäten auf der anderen Seite wussten. Ich werde dieses Thema im nächsten Beitrag nochmals aufgreifen ...

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Ich sage mal @K_E_B vielen Dank, ich lese gern die Geschichten um die Geschichte von ROKAL mit. Tolle Recherche und guter Stil in der Wiedergabe.

hm-tt
 
TT-Historie: 12 mm-Spur-Bahnen der Nachkriegszeit

Im frühen Nachkriegsdeutschland nach 1945 hatten die Menschen anfangs andere Probleme als sich mit Modelleisenbahnen beschäftigen zu können. Millionen Ostvertriebene waren mehr schlecht als recht in provisorischen Auffangslagern untergebracht und begaben sich gemeinsam mit den vielen Heimkehrern und der ausgebombten einheimischen Bevölkerung auf die Suche nach beheizbarem, winterfestem Wohnraum. Die westdeutsche Infrastruktur war kriegsbedingt stark beschädigt, Mietangebote auf dem Wohnungsmarkt rar. Lebensmittel und Brennstoffe waren rationiert und wurden nur auf Bezugsschein ausgegeben. Viele Bundesbürger hungerten. Mit der Reichsmark stand keine vertrauenswürdige, stabile Währung zur Verfügung. Die Märkte lagen am Boden, es fehlten die Warenangebote in den Handelsgeschäften und die nötigen finanziellen Mittel bei der Kundschaft. Es florierte allein der Tausch- und Schwarzmarkt, ein unkontrollierbarer Handel von Waren gegen Waren und Dienstleistungen.

Mit der Währungsreform und der Einführung der D-Mark änderte sich die Situation schlagartig. Jeder Bundesbürger erhielt am 20. Juli 1948 40 D-Mark als Startgeld, einen Monat später nochmals 20 D-Mark, jeweils im Tausch gegen Reichsmark. Sparguthaben wurden offiziell im Verhältnis 10 Reichsmark zu 1 DM umgetauscht. Am Tag nach der Währungsreform standen die Deutschen staunend vor gefüllten Schaufenstern, die Märkte boten plötzlich wieder allerlei Waren des täglichen Lebensbedarfes und Lebensmittel. Noch wichtiger: Das Leben fing an, wieder in geregelten Bahnen zu verlaufen.

In diesem wirtschaftlichen Umfeld begannen die altbekannten und einige neue Unternehmen wieder Modelleisenbahnen herzustellen. Die westdeutschen "Platzhirsche" der Branche reanimierten die Produktion ihrer Vorkriegs- und Kriegsware in der Nenngröße 0 (Null, Maßstab 1:45, Spurbreite 32 mm) sowie in der kleineren Nenngröße H0 (Halb-Null, Maßstab 1:87, Spurbreite 16,5 mm).

Einige Unternehmen entwickelten neue, noch kleinere Modelleisenbahnen mit einer Spurbreite von oder um 12 mm. Wegen der beengten Wohnverhältnisse und den neuen technischen Möglichkeiten zu Beginn der "Wirtschaftswunder-Ära" war die Zeit einfach reif für eine kleinere Bahn. Unabhängig voneinander entwickelten und vermarkteten einige kleinere Unternehmen ihre neuen Modellbahnprodukte unter den schwierigen Bedingungen der westdeutschen Nachkriegszeit ...

- Lytax-Comet-Bahn der Fa. Lytax / Freiburg, produziert von 1946 bis 1949, nur ca. 50 Zugpackungen wurden ausgeliefert.

- Löhmann-Präzix-Bahn der Fa. Löhmann, produziert 1947/48. (Link)

Hier wird die Deckel-Innenseite einer Löhmann-Präxiz-Bahn-Packung gezeigt, auf der eine "Gebrauchs-Anweisung für die Löhmann'sche elektrische Kleineisenbahn Spur TT 12 mm" eingeklebt ist.

- Das Lytax-Nachfolgeprodukt Europa-Bahn der Europa Technische Spielwaren GmbH / Stuttgart, produziert 1950/51.

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Titel eines Europa-Prospektes von 1950 mit einem Hinweis auf die "Weltspur TT - 12 mm"

- Taifun-Bahn der Rheinisch-Westfälische Kunststoffwerke GmbH / Kettwig/Ruhr, produziert 1949, als OTO-Bahn 1948 angekündigt.

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Triebwagen einer Taifun-Bahn, ausgestellt auf der Total ROKAL 2014 [Foto: Axel Goeke]

- Die kleinspurigere Mignon-Bahn (10 mm) der Fa. Staiger / St. Georgen, produziert von 1947 bis 1951.

- Die großspurigere WESA-Bahn (13 mm) der WESA AG / Oberaargau (Kanton Bern) aus der Schweiz, produziert von 1945 bis 1966.

Die meisten der genannten Kleinhersteller waren gegen Anfang der 1950er Jahren wieder vom Markt verschwunden. Als einziger Großserien-Hersteller verteilte ROKAL zum Weihnachtsfest 1948 die ersten Zugpackungen seiner "Klein-Elektrobahn" an Freunde und Geschäftskunden des Hauses. Tri-ang (GB) begann erst 1957 mit der Produktion einer TT-Modellbahn, im selben Jahr dann auch Zeuke & Wegwerth in Ost-Berlin.

Mehr zu den Anfängen der TT-Geschichte ist hier nachzulesen.

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BING hatte schon 1912 eine Modellbahn auf 9mm-Spur hergestellt. Über den Antrieb ist allerdings nichts bekannt. Völlig unbeachtet, weil nur als Prototyp auf der Messe 1948 vorgestellt, blieb der Vorläufer der N-Spur, die 'Kersting-Bahn' mit 8mm Spurweite im Maßstab 1:180. Es war ein komplettes System mit Signalen und Zugbeeinflussung, elektrischen Weichen, einem fast maßstäblichen Schienenmaterial und sehr gut detaillierten Modellen. Der Maßstab feierte dann noch mal als 'Schiebe-TRIX' in den 60ern kurz vor Erscheinen der Arnold'schen 9mm-Bahn auf der Messe (Prototyp-V200 im Maßstab 1:180!) eine kurze Renaissance.
Aber das wird jetzt in dieem Thread OT, also Schluss damit.
 
TT-Historie: Die Einführung des Begriffs "TT" in die Modellbahnwelt

Die in meinem vorstehenden Beitrag erwähnten Kleinspur-Hersteller bewarben ihren Produkte fast ausnahmslos mit der Bezeichnung "12 mm-Spur-Modelleisenbahn". Der vereinfachende Begriff "TT" hatte sich in der Modellbahnwelt für die 12 mm-Spur noch nicht herumgesprochen oder gar durchgesetzt und wurde nur in Drucksachen der Löhmann-Präzix-Bahn und deren Nachfolger Europa-Bahn mehr am Rande verwendet. ROKAL nannte seine ersten Wechselstrom- und späteren Gleichstrom-Modellzüge anfangs "Klein-Elektrobahn Spurweite 12 mm" ...

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Die "Erfindung" des englischen Begriffs "Table Top" (Tischbahn) wird nachweislich dem US-amerikanischen Kleinserienhersteller Harold L. Joyce zugesprochen, der ab 1945 Bausätze (Kits) für vorbildgerechte Modellbahnen im Maßstab 1:120 herstellte und vertrieb. Joyce produzierte seine Modellbausätze unter der Marke Harold Precision Products Inc in Hartford, Indiana, handwerklich in Kleinserie (Link). Seine Produkte blieben in Europa weitgehend unbekannt.

Die erste Ausgabe (Nr. 1/1948) der neuen Modellbahn-Zeitschrift "Miniaturbahnen" informierte im September 1948 die Leserschaft über die zukünftige Ausrichtung der Beiträge und gab eine Übersicht über den aktuellen Stand der Modellbahnerei in diesen schweren Zeiten. Unter dem Titel "Modellbahnen im Ausland" schrieb der Autor Heinz Bingel über Amerika: "Der Amerikaner unterscheidet zwischen "Spielzeugbahnen" und "Modelleisenbahnen". (...) Es gibt in den Vereinigten Staaten 5 Modellspurweiten, die eine Rolle spielen: Die TT-Spur = 12 mm, H0 (halb Null) = 16,5 mm, 00 = 19 mm, S-Spur = 22,5 mm und 0 = 32 mm. Nach einer amerikanischen Statistik ziehen 55% der Eisenbahnliebhaber die H0-Spur (also unsere 00-Spur) vor. 40% arbeiten mit Spur 0 und nur 5% entfallen auf die anderen Spurweiten. (...) Niemand käme dort auf die Idee, diesen Modellbahnsport, der unter dem Sammelbegriff "hobby" (Liebhaberei oder Steckenpferd) fällt, als "Wissenschaft" aufzubauschen. Es bleibt das Ganze, was es an sich ist: Ein "Steckenpferd", eine große Leidenschaft, ein ernsthaftes, begeistertes Spiel mit den Wundern und Möglichkeiten der Technik, das im geregelten Fahrplanbetrieb großer Club-Anlagen seinen Höhepunkt findet."

Aufmerksame Leser des Textes waren damit schon im Herbst 1948 über die englischsprachige Maßstabsbezeichnung "TT" für die 12 mm-Spur informiert, nicht jedoch über die Ableitung dieses Kürzels von "Table Top". Ebenso interessant: Die TT-Bahn konnte in Amerika damals (als auch später) nicht mehr als marginale Marktanteile erreichen. Und der "Modellbahnsport" in Übersee wurde im Allgemeinen nicht "verwissenschaftlicht", sondern zumeist als locker betriebenes Steckenpferd angesehen.

Weiterhin ist im ersten Miniaturbahnen-Heft an anderer Stelle zu lesen: "Sehr aussichtsreich dürfte die ebenfalls von Herrn Ing. Thorey vorgeschlagene 12 mm-Spur sein, Maßstab 1:125, aussichtsreich deshalb, weil der Aufbau einer 12 mm-Bahn weit weniger Platz erfordert als derjenige einer 00-Bahn (Anmerk.: heute H0-Bahn!), ein für die heutigen beschränkten Wohnverhältnisse nicht zu unterschätzender Vorteil. (...) Während für den Durchschnittsbastler eine Selbstkonstruktion von Lokomotiven für 12 mm-Spur infolge der erhöhten Präzisionsansprüche wohl völlig ausgeschlossen erscheint, kann der Waggonbau auch noch in diesem Verkleinerungsmaßstab geführt werden."

Die Quintessenz aus diesen Ausführungen: Der Miniaturbahnen-Redakteur erkannte 1948 zwar das Potenzial der 12 mm-Bahn, sah aber wegen des "unmöglichen Selbstbaus" von Lokomotiven die Zeit noch nicht reif für die kleinspurige Bahn.


ROKAL erwähnte die "Internationale Bezeichnung TT" erstmals im Katalog Herbst 1949 zur Einführung der Gleichstrom-Lokomotive ...

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In den folgenden Jahren machte ROKAL das "TT" zu einem festen Bestandteil seines Markennamens, der für die Modelleisenbahn dann "ROKAL-TT" lautete ...

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_ Mitte der 1960er Jahre hatte sich die Bezeichnung "TT" für den Maßstab 1:120 etabliert.


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Der letzte Beitrag trägt einige Fakten zusammen zur Frage, wann und von wem der Begriff "TT" in Westdeutschland für die anfangs recht sperrig bezeichnete "12 mm-Spur-Modellbahn" eingeführt wurde. Die Zusammenhänge um die Einführung des "doppelten Ts" sind damit noch nicht abschließend geklärt. Die betreffenden Zeiten liegen inzwischen ja auch schon fast 70 Jahre zurück.

Erfunden hat das "TT" als Kürzel für "Table Top" zweifelsfrei der Amerikaner Harold L. Joyce. Der TT-Modellbahn selbst kann dagegen kein "Erfinder" zugeordnet werden. Gegen Mitte bis Ende der 1940er Jahre war die Zeit einfach reif für eine kleinspurigere Modelleisenbahn. Mehrere Unternehmen arbeiteten zu dieser Zeit in Deutschland parallel und unabhängig voneinander an einer kleinspurigen Modellbahn mit 12 mm Spurweite und produzierten diese über einen mal kürzeren, mal längeren Zeitraum. Hier kann kein "Vater der TT-Bahn" eindeutig benannt werden.

Über das Kürzel "TT" - von der trefflichen amerikanischen Bezeichnung "Table Top" abgeleitet - kann jeder TT-Bahner sehr zufrieden sein. Denn hätte man sich in Westdeutschland selbst Gedanken über einen Namen der neuen Nenngröße gemacht, wäre man wohl auf das nahe liegende, traditionsbehaftete Kürzel "D0" für Drittel-Null ausgekommen ... "0" (Null, 32 mm Spurweite, Maßstab 1:45) --> "H0" (Halb-Null, 16.5 mm, 1:87) --> "D0" (Drittel-Null, heute "TT", 12 mm, 1:120) --> "V0" (Viertel-Null, heute "N", 9 mm, 1:160).

Die D0-Bahner, pardon: TT-Bahner, als auch die N-Bahner dürfen sich also glücklich schätzen, dass es anders gekommen ist! ;)

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TT-Historie: Der TT-Einstieg der Fa. Zeuke in Ost-Berlin

Der westdeutsche Ingenieur Hans Thorey ging schon vor dem 2. Weltkrieg mit dem Gedanken schwanger, eine Modelleisenbahn auf 12 mm Spur zu konstruieren und zu bauen. Diese Idee war aber in den 1930er Jahren noch nicht realisierbar. Der Modellbahn-Fachmann Thorey unterstützte die Fa. ROKAL in den Anfangsjahren der Lobbericher Modelleisenbahn als Berater. In der Ausgabe November 1955 der ostdeutschen Zeitschrift "Modelleisenbahner" verfasste er einen Artikel mit dem Titel "Eine Fahrt auf Spur TT". Thorey brachte darin den ostdeutschen Lesern die ROKAL-Bahn näher, attesttierte der TT-Modellbahn eine große Zukunft und bewertete die kleinspurige Bahn als Exportartikel und Devisenbringer ersten Ranges. [Quelle: hier als auch "Die TT-Bahn" von Autor A. M. Ränztzsch]

Mit staatlicher finanzieller Beteiligung entwickelte daraufhin die Fa. Zeuke & Wegwerth in Ost-Berlin 1956 ein neues, kleinspuriges TT-Programm, das auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1957 der überraschten Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Anfang 1958 startete die Serienproduktion und Auslieferung der ersten TT-Modelle und des dazugehörenden Gleisssystems. Andere DDR-Hersteller lieferten nur kurz darauf auch das passende Zubehör.

Im Tillig-Clubmagazin 1/97 ist der erste Teil eines "Interviews mit Herrn Zeuke in Berlin" abgedruckt. Befragt nach der Geburt der TT-Spur im Hause Zeuke & Wegwerth, antwortete der 1997 80-jährige Werner Zeuke: "... Die damals [Anm.: 1957] kleinste Spur war die TT. Rokal hatte schon einige Jahre produziert, jedoch war uns die Gußtechnik und die fehlende Maßstäblichkeit der Modelle fremd. Wir mußten auf der Technik aufbauen, die wir zu beherrschen glaubten und die Maßstäblichkeit der Modelle war von Anbeginn eiserner Grundsatz. In dieser Zeit habe ich mich sehr um den TT-Rundmotor gekümmert, der in allen Modellen eingesetzt werden mußte, um eine rentable Fertigung des Motors im Werk zu gewährleisten. ..."

Diese Sätze lassen sich so verstehen, dass sich Werner Zeuke am westdeutschen TT-Pionier ROKAL orientierte. Zeuke wollte die Chancen des "kleineren Maßstabes" nutzen, aber den aus seiner Sicht großen "Fehler" der ROKAL-Modelle - die Unmaßstäblichkeit - bei den Zeuke-TT-Modellen vermeiden.

Die Unmaßstäblichkeit der ROKAL-Modelle rührte, wie schon erwähnt, aus der anfänglichen Metalldruckgusskonzeption und dem Produktionsbeginn in der frühen Nachkriegszeit mit der vorherrschenden Mangelwirtschaft. Der zehn Jahre spätere Produktionsstart von Zeuke-TT hatte ganz andere technologische Startbedingungen. Werner Zeuke setzte von Beginn an auf eine feindetaillierte Kunststoffspritztechnik und eine vorbildgerechte Maßstäblichkeit von ziemlich genau 1:120. Die Zeuke-Modelle waren in dieser Hinsicht den zeitgleichen ROKAL-Modellen überlegen. Den fehlenden TT-Rundmotoer konstruierte Zeuke selbst, wie schon 10 Jahre zuvor ROKAL die kleinen Motoren für seine Modelllokomotiven.

Der im Jahr 1917 geborene Werner Zeuke verstarb im Februar 2001 nach langer, schwerer Krankheit.

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Zu Deinem Beitrag #18

Andere Rechnung:

1. 1:32 = 1 Spurweite 45mm
2. 1:45 = 0 Spurweite 32mm
Hälfte von 1:
1a. 1:64 = S Spurweite 22,5mm (45/2)
Hälfte von 2:
2a. 1:90 (87) = H0 Spurweite 16,5mm (fast 32/2)
Hälfte von 1a:
1b. 1:128 (120) = TT Spurweite 12mm (fast 22,5/2)
Hälfte von 2a:
2b. 1:180 (160) = N Spurweite 9mm (fast 16,5/2)
Hälfte von 1b:
1c. 1:256 (220) = Z Spurweite 6mm (12/2)
Hälfte von 2b:
2c. 1:360 (300) = ZZ Spurweite 4,8mm (fast 9/2)
Hälfte von 1c:
1d. 1:512 (480) = T Spurweite 2,9mm (fast 6/2)

Alles Miniaturisierungen im 1/2 Bereich.

Was noch sehr stark auffällt ist, die Schmalspur ist immer bei 1000mm eine Spurweite, bei 750mm zwei Spurweiten kleiner als der Hauptmaßstab.
 
TT im Flächenvergleich zu anderen Spuren

Man kann auch den Platzbedarf der Spurgrößen vergleichen ...

Im TT-Maßstab (1:120) besitzt ein identischer Gleisplan im Vergleich zu H0 (1:87) eine um den Faktor 1/120 : 1/87 = 87/120 = 0,725 kleinere Länge und ebenso eine um den gleichen Faktor kleinere Breite. Da die Modellbahnfläche das Produkt aus Länge x Breite ist, ist die TT-Bahn-Fläche deshalb 0,725 x 0,725 = 0,53 mal so groß wie die Fläche einer identischen H0-Anlage.

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Die große blaue Fläche A einer H0-Bahn besitzt 200 Kästchen, die maßstäblich eingezeichnete grüne Fläche
0,53 x A einer identischen TT-Bahn besitzt 105 Kästchen.


Deshalb gilt: -> Die Fläche einer TT-Bahn beträgt ungefähr die Hälfte einer H0-Bahn mit identischem Gleisplan. <-

Eine N-Bahn benötigt nach dieser Berechnnung sogar nur 30% der Fläche einer H0-Bahn oder nur 56% der Stellfläche einer TT-Bahn! Eine Z-Bahn beansprucht wiederum nur 30% der Fläche einer TT-Bahn gleichen Gleisplans!

Zu diesem Thema habe ich im Zeuke-TT-Katalog 1959/1960 gefunden ...

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K_E_B :winker:
 
Ja, und andere Leute wieder glauben, es ist modern und schön, 40cm breite und 10m
lange Anlagen zu bauen, vielleicht noch innerhalb der Breite von 40cm einen
Höhenunterschied von 30 cm zu realisieren und dann an der vorderen
Anlagenkante noch ein einaufgeschnittener Berg, dessen Schnittfläche braun
angestrichen ist. Aber innerhalb der Anlage ein wunderbarer Landschaftsbau.

Viele Grüße Wolfgang
 
Ob nun auf 161 cm x 83 cm Fläche oder auf 100 cm x 40 cm, wo ist da der Unterschied? :gruebel: Den erkennt man nicht, das ist doch alles "TT" ...

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Eine Dampflok von Tri-ang während eines Haltes im Bahnhof Lindental [Foto: Stephan Albertsen] ...

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... als auch eine ROKAL E-03 und eine V 200 vor dem Bahnhof Schönbuch [Foto: Marcel Menting] ... alles "TT" - die Fläche ist egal!

K_E_B :winker:
 
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