Welch ein Labsal, nach fünf Stunden Härtetest im Küchendienst hier kurz antworten zu dürfen.
Entschuldigend vorausgeschickt sei: Ich bin kein Experte, auch wenn ich mich im Beruf ab und zu mit Architektur herumschlagen mußte und entsprechende Literatur in diesem Haushalt etliche Regalmeter beansprucht. Manches ist nur rudimentär hängengeblieben, mancher Groschen aber auch nicht ganz ins Leere gefallen.
Soweit ich es verstanden habe, entstand die Toskanische Säulenreihung in der Renaissance unter Rückgriff auf die griechische und römische Antike. Im Vordergrund standen dabei im wesentlichen repräsentative Bauten (Kirchen, Paläste, Theater, Schlösser, Parlamentsgebäude ...), deren berühmte Baumeister sich an die strengen Regeln und Maße hielten. Abweichungen waren und sind indessen eher die Regel als die Ausnahme bei Profanbauten. Als Extrem gelten heutige Muster- und Fertig-Einfamilienhäuser, im Volksmund "Würfelzucker-" oder Papphäuser genannt, denen ihre Bauherren Säulenbaldachine anflicken lassen, um Architektur, Geschmack und Individualität vorzutäuschen. Leider entblößt sie gerade jenes Blendwerk als billige Massenware.
Zugegeben, auch das aus drei Standard-Einfamilienhäusern zusammengestückelte Großbommelner EG ist ein, wie man heute sagt, Low-Budget-Haus. Angelehnt an die Toskanische Ordnung wurden für seine Portikus sogenannte dorisierende Säulen verbaut, die womöglich nach einem Abriß preiswert erworben und angepaßt werden konnten. Der Terminus "dorisierend" besagt, daß ihre einfache, leicht gewölbte Form lediglich eine
Annäherung an die klassische dorische Säule darstellt, die ja selbst als schlichte Urform der weit stärker strukturierten und verzierten ionischen und erst recht korinthischen Säulen galt.
Der Bommelner Baumeister vereinfachte sie sogar noch weiter, was der untergeordneten Bedeutung eines ländlichen Profanbaus entspricht: Das EG sollte im Umfeld bescheiden-repräsentativ wirken; ein Hauch Zierrat mehr, und es hätte albern ausgesehen.
Was
@TT-Thomas sehr richtig erkannt hat: Gemäß Toskanischer Ordnung hätten die Säulen schlanker sein müssen, die aber wohl a) nicht zur Verfügung standen und b) unter der großen Fläche des Tympanon "überlastet" gewirkt hätten. Ein breiterer Architrav hätte c) diesen negativen Effekt noch verstärkt und d) auch wie ein Fremdkörper neben dem umlaufenden Dachgesims gewirkt. Alternativ kam für ein kleines Gebäude mit geringer Geschoß- und folglich Portikus-/Säulenhöhe nur in Frage, stärkere Säulen zu verbauen und diese enger als "dorisch/toskanisch" zusammenzurücken. Korrigiert sei TT-Thomas nur insofern, als die toskanische Säule anders als die dorische, von der sie abgeleitet wurde, eine Basis besaß.
Mit anderen Worten: Um der Ästhetik willen muß man zuweilen von klassischen Regeln abweichen. Ob das hier gelungen ist, mag jede/r für sich entscheiden.
Oh, das war jetzt aus dem Stegreif viel Text zur Nacht. Pardon und trotzdem Gute Nacht, allerseits!