Ahh, wieder ein paar konstruktive Gespräche zum Thema. Das freut mich! So bringen die Basteleien auch noch was anderes als hübsche Bilder
Damit's gleich weitergeht hier noch ein
Wagen, der am selben Abend fertig geworden ist:
Bastelei Nummer 41: Sächsischer Gaswagen
Geschichte:
In der Anfangszeit der Eisenbahn (und immer wieder in Notzeiten wie Kriegen) wurden
Personenwagen mittels Öllampen beleuchtet. Diese boten eine miserable Lichtausbeute, rußten, bedurften ständiger Brennstoffnachfüllung und waren auch sonst noch nicht das Gelbe vom Ei. Daher setzte sich im späteren 19. Jahrhundert die Gasbeleuchtung durch.
Öl- oder Fettgas wurde in zentralen Gasanstalten produziert und musste von da aus bis zu jedem einzelnen Wagen gelangen. Zwar hielt in den 1920er Jahren auch die elektrische Beleuchtung immer mehr Einzug ins Eisenbahnwesen, aber die Gasbeleuchtung blieb noch bis weit nach dem zweiten Weltkrieg vor allem in Altbauwagen auf Nebenbahnen durchaus üblich.
Bei der Gasbeleuchtung trägt jeder Wagen einen entsprechenden Gastank unter dem Rahmen, von welchem aus Leitungen zu allen Lampen führen. Dieser Gastank fasst zumeist einige hundert Liter, um auf Hauptbahnen (Langlaufzüge auf großen Strecken) höchstens alle paar Tage, auf Nebenbahnen gern auch nur alle paar Wochen nachgefüllt werden zu müssen. Um das Gas von den Gasanstalten bis in die Wagen zu bekommen, wurden spezielle Transportfahrzeuge - sogenannte Gaswagen - eingesetzt.
Das vorliegende Exemplar ist ein durchaus typischer Vertreter derselben. Die beiden Kessel konnten im Werk bis zu 11 bar aufgefüllt werden. Am Zielort wurden der Gaswagen und ein Personenwagen mittels druckfester Leitungen verbunden. Über einen Druckminderer wurde der Personenwagen von nur einem Kessel aus bis maximal 6 bar befüllt, dann kam der nächste Wagen dran. Irgendwann sank auf diese Art der Druck im ersten Kessel so weit ab, dass die Wagen nicht mehr vollständig gefüllt werden konnten. Dann wurde die Verbindung geschlossen und die fehlende Restmenge aus dem zweiten, bislang noch volle 11 bar tragenden Kessel entnommen. Nach etlichen Wagen-Füllvorgängen war der Druck in beiden Kesseln zu weit gesunken um ohne Pumpen noch mehr Personenwagen vollständig auffüllen zu können. Der Gaswagen kehrte jetzt zurück zur Auffüllstation und der Zyklus begann von neuem. Diese Technik, welche ausschließlich die Druckunterschiede der befüllten Behälter nutzte, war weniger effektiv - es verblieben schließlich erhebliche Gas-Restmengen ungenutzt im Wagen - vermied aber jede teure, störanfällige und daher ggf. auch riskante Technik.
Das gezeigte Modell verfügt über zwei Gaskessel auf einem langen, zweiachsigen Fahrwerk. Der grüne "Niederdruckkessel" wird gemäß vorstehender Beschreibung zuerst entleert, der rote "Hochdruckkessel" dient zum anschließenden Auffüllen der Differenz. Die Namen sind aus heutiger Sicht etwas irreführend, waren doch beide Kessel technisch vollkommen identisch und wurden gleichermaßen mit 11 bar befüllt. Neben den Beschriftungen diente die unterschiedliche Farbe beider Kessel der Vermeidung von Verwechselungen - einen noch recht leeren Personenwagen sofort mit dem volleren Hochdruckkessel aufzufüllen hätte einen erheblichen Verlust an entnehmbarer Gasmenge bedeutet. Als farblich wie technisch interessanter Blickfang kam der Wagen lange im Raum Dreggsch zum Einsatz - aufgefüllt in Hartengrund versorgte er die Bahnstationen entlang der Strecke bis Dreggsch sowie alle von dort aus abgehenden "Bummelzüge", welche nie den Luxus hatten, eine große Station mit eigener Gasanstalt zu sehen.
Realer Hintergrund:
Vor einiger Zeit bin ich beim ModellbahnStudio Thüringen über >
diese Seite hier< gestolpert. Die obenstehenden Informationen zum Betriebsablauf stammen großteils von dort, ebenso der Wunsch, mir auch solch einen Wagen zu bauen. Leider fehlten mir zum Bauzeitpunkt noch jegliche Informationen zu den Sachsen, so dass die rot-grüne Farbgebung, die Wagennummern und die Beschriftung frei erfunden sind. Der Wagen dient als wirklich schicker Blickfang im Zugverband und dazu, um auf dem Rand im Weg zu stehen und den Ortsrangierer zu nerven.
Ergebnis:
Bau:
Es handelt sich um einen zweiachsigen Wagen von Schirmer. Dieser wurde zerlegt und alle Einzelteile neu lackiert. An den Gaskesseln waren dafür ein feiner Pinsel und viel Handarbeit nötig, da ich die Spannkonstruktion der beiden Gaskessel nicht demontieren konnte oder wollte (gut verklebt?).
Anschließend wurde der gesamte Wagen testweise wieder zusammengesetz und ein Bremserhaus aus der Bastelkiste eingepasst, wofür ein Stück des Bühnengeländers weichen musste. Zughaken und Speichenräder gab's auch, die Hülsenpuffer durften diesmal aber bleiben - bei einem so gefährdeten Wagen sind auch die ollen Sachsen lieber auf Nummer sicher gegangen ;-)
Im Bild außerdem zu sehen: Der zuletzt vorgestellte G3 und ein epochenfremdes Projekt (folgt demnächst).
Nachfolgend erhielten die zu decalierenden Stellen einen Hauch "Elita glänzend" (Klarlack). Die Beschriftung erfolgte wie schon beim G3 mit einem Mix aus HaO-Decals und selbst gezeichneten, da die Druckqualität der letzteren arg zu wünschen übrig ließ. Die nächsten zwei Tage gab es immer wieder Softener dazu. Abschließend kam noch mal Mattlack drauf und das Ergebnis wurde neu zusammengeklebt. Was die (un)Sichtbarkeit der Decals angeht bin ich einigermaßen zufrieden, es gibt keine Grauschleier oder dergleichen. Aber 15µm-Folie ist einfach zu dick :-/
Die nächsten Drucke entstehen auf dünnerer Folie.
Ganz zuletzt kamen natürlich wieder Pulverfarben zum Einsatz. Der Wagen wird zwar überdurchschnittlich gut gepflegt, steht aber dennoch bei Wind und Wetter draußen in den Bahnhöfen, was manch kleineren Siff an unzugänglichen Stellen erklärt. Außerdem hat die Bretterstruktur des durchgehenden Bodens so noch eine Aufwertung erfahren.
Fazit: Sicher nicht vorbildgerecht, aber ziemlich hübsch

Das gute Stück muss auf Modultreffen immer mal ein Gaswerk anfahren und Bahnhöfe blockieren, sobald das wieder geht.