Zugbildung im Reisezugverkehr bei der DR
Reisezugwagen wurden in sog. Bahnbetriebswagenwerken (Bww) beiheimatet. Den Bww oblag die Unterhaltung der Fahrzeuge – die Erhaltung erfolgte in ausgewählten RAW der DR. RAW für regelspurige Reisezugwagen waren insbesondere die RAW Delitzsch, Potsdam und Wittenberge.
Die Bww hatten für die einzelnen Reisezugumläufe die Reisezugwagen des entsprechenden Typs und in der benötigten Anzahl zu stellen.
Die Zusammenstellung der Zuggarnituren erfolgte nach sog. Zugbildungsplänen – getrennt nach
-internationalem Reiseverkehr
-schnellfahrenden Binnenreiseverkehr (Schnell- und Eilzüge)
-regionalem Verkehr.
Die Ausfertigung der Zugbildungspläne für den internationalen Reiseverkehr erfolgte auf der Grundlage internationaler Vereinbahrungen.
Die Zugbildungspläne des schnellfahrenden Binnenreiseverkehrs wurden in Verantwortung der Hauptverwaltung Wagenwirtschaft erarbeitet und erlassen.
Die Erstellung der Zugbildungspläne für den Personenzugverkehr lag in der Zuständigkeit der Rbd’en.
Zu Zeiten der DR in den Epochen III und IV war im internationalen und im schnellfahrenden Verkehr das Kurswagenprinzip sehr stark verbreitet, des weiteren wurde Zugbildung und Beförderungskapazität anhand des Bedarfs für einen speziellen Umlauf realisiert – dies bedeutete, dass häufige „Umbildungen“ der Zuggarnituren an der Tagesordnung waren. Praktiken, nach denen ganztags identische Garnituren, die nicht planmäßig getrennt werden, auch auf längeren Strecken im schnellfahrenden Verkehr ohne Beachtung der tageszeitabhängigen Kapazitätsanforderungen eingesetzt werden, waren bei der DR noch weitgehend unbekannt.
Diese häufige Umbildung der Zuggarnituren hatte seine Ursache auch in der DDR-Mangelwirtschaft. Wie so manches andere waren auch Reisezugwagen knapp – die DR versuchte deshalb die Wartung der einzelnen Reisezugwagen planmäßig in verkehrsschwache Zeiten zu legen, indem einige Wagen außerhalb der Hauptverkehrszeit aus den Umläufen herausgenommen und so für Wartungsarbeiten freigelenkt wurden.
In den Zugbildungsplänen war detailliert geregelt, welche Fahrzeuge eines bestimmten Typ und bestimmter Klasse in welcher „Reihung“ für einen bestimmten Umlauf vorzusehen und in den Zugverband einzustellen waren.
Dabei war es gängige Praxis, dass vergleichbare Fahrzeuge mit identischer Platzkapazität, aber unterschiedlicher Bauart, in eine Art „Überbauart“ zusammengefasst wurden. Dies betraf z.B. die Bghw und E5 (unter Ansatz der geringeren Platzkapazität des Bghw) als „Bw“, auch die Modernisierungswagen wurden mit einigen Altbau-Fahrzeugen zusammengefasst.
In den in Regie der Rbd’en verkehrenden Personenzügen verwendete man häufig festgefasste „Trains“, wie man es heutzutage vom Fernverkehr bei der DBAG kennt. Ähnlich der bei Dampfloks nach dem Krieg gelebten Praxis, wonach man die Loks einer Baureihe regional bei möglichst wenigen BW’s konzentrierte (von den in großer Stückzahl vorhandenen Baureihen wie 50, 52, 38… abgesehen), verfuhr man auch beim Personenzug-Wagenpark. Bauarten, die nur in begrenzter Anzahl vorhanden waren, konzentrierte man meist in nur wenigen Rbd’en und dort wiederum in nur wenigen Bww (Bsp: D21 / D27 vorwiegend in der Rbd Cottbus und dort vor allem beim Bww Löbau).
Das bunte Zusammenwürfeln von Zügen aus Wagen der verschiedensten Bauarten – meist aus Fahrzeugen aus der Länderbahnzeit – gab es, aber mit in viel geringerem Umfang, als heute meist angenommen wird. Im Erzgebirge war das tatsächlich gar nicht so selten – nicht nur auf Nebenbahnen, sondern auch auf hauptbahnähnlichen Strecken mit durchaus hohem Verkehrsaufkommen.
Eigentlich hatte jede Rbd ein Bww, in dem man die „Reste“ konzentrierte und deren Fristen abfuhr: Das konnten Einzelgänger aus der Länderbahnzeit, Wagen ehemaliger Privatbahnen oder z.B. auch Beutefahrzeuge sein – so ein typisches Bww war Salzwedel in der Rbd Magdeburg.
Von dem in den Zugbildungsplänen vorgesehenen Wageneinsatz und der Wagenreihung durfte nur in begründeten Fällen abgewichen werden – begründete Fälle waren z.B. große Verspätungen vorgelagerter Umläufe. Für „besondere Tage“ – z.B. in Zusammenhang mit politischen Massenveranstaltungen – wurden Sonderfahrpläne mit Sonderregelungen zur Zugbildung erlassen.
Für solche Leistungen hielten die Rbd’en neben dem „arbeitenden“ Wagenpark noch eine ausgewählte Anzahl von Wagen vor, die nur auf besondere Anweisung hochgestellter Dienststellen zum Einsatz gebracht werden durften (mit Wagen aus diesem Park wurden z.B. die Sonderzüge für die „Botschaftsflüchtlinge“ 1989 gefahren).
Bei der DR war es gewollte Praxis, dass neue Bauarten von Reisezugwagen, wenn sie für die geforderte Geschwindigkeit geeignet waren, vordergründig im Schnellverkehr eingesetzt wurden – auch wenn es sich nach dem Innenraumkonzept um Nahverkehrswagen handelte. Dies betraf die E5 ebenso wie die Bghw und nachfolgend die Wagen der Bauart Bmh.
Im Gegensatz zur DB war die DR immer bestrebt, im internationalen und insbesondere im innerdeutschen Verkehr möglichst modernes Fahrzeugmaterial einzusetzen.
Züge des schnellfahrenden Binnenverkehrs der DR waren nur selten typenrein gebildet – begründet vor allem in nicht in allen Klassen und „Wagenarten“ (z.B. Liegewagen, Schlafwagen) vorhandene „Typenfamilien“:
-E5, Bghw, Bmh nur durchgängig 2. Klasse Sitzwagen
-Modernisierungswagen – keine Liegewagen, keine Schlafwagen.
Schnellfahrenden Reisezügen im Binnenverkehr wurden nicht selten für den gesamten Zuglauf oder auf Teilstrecken international verkehrende Kurswagen beigestellt. Typisch waren diesbezüglich die Schnellzüge auf der Relation Dresden – Leipzig – Dresden, die Kurswagen für internationale Schnellzüge zwischen Berlin und Südosteuropa „als Flügel“ nach bzw. von Leipzig mitführten.
Eine besondere Rolle im schnellfahrenden Verkehr spielen die Gepäck- und Halbgepäckwagen. Es war nicht immer möglich, Gepäckwagen ausschließlich an der Zugspitze oder am Ende des Zuges einzureihen. Für den schnellfahrenden Verkehr geeignete Halbgepäckwagen mit Durchgangsmöglichkeit für Reisende standen der DR mit Ausnahme einiger weniger Beutewagen nicht zur Verfügung – solche Fahrzeuge sind von der DRG seinerzeit nicht beschafft worden.
Auf der Basis des Bghw entwickelte das RAW Halberstadt die Halbgepäckwagen BDghws, die sich auch nach Ersatz der normalen Bghw durch Bmh im Schnellzugdienst bis zur verfügten Abstellung wegen der nichtvorhandenen Türblockiereinrichtung im schnellfahrenden Verkehr hielten.
Außer den BDghws-Halbgepäckwagen verfügten nur ein Teil der nur in geringer Zahl vorhandenen Modernisierungs-Gepäckwagen Dgs über einen Seitengang und damit über eine Durchgangsmöglichkeit für Reisende.
Speisewagen wurden nur begrenzt im schnellfahrenden Binnenverkehr der DR eingesetzt. Das hatte seine Ursachen einerseits in der begrenzten Anzahl vorhandener Speisewagen und andererseits auch darin, dass das mit den zur Verfügung stehenden Triebfahrzeugen mögliche Zuggewicht bereits aus Gründen des Sitzplatzbedarfes mit Sitzwagen ausgelastet war. Für die Versorgung mit einem minimalen Reisebedarf an Getränken und Essen bediente man sich häufig sog. Wirtschaftsabteile in normalen Reisezugwagen mit Seitengang.
Speisewagen wurden, wenn überhaupt, dann meist an der Zugspitze bzw. Zugende eingestellt, soweit nicht Schlaf- bzw. Liegewagen dem entgegen standen.
Schlaf- bzw. Liegewagen wurden möglichst so eingereiht, dass die Fahrgäste nicht durch durch den Zug laufende Reisende gestört werden konnten.
Nicht alle national im schnellfahrenden Verkehr eingesetzten Fahrzeuge konnten auch international eingesetzt werden – im innerdeutschen Verkehr gab es diesbezüglich einige Sonderregelungen.
Nicht international eingesetzt werden durften die Doppelstockwagen.
Die 4-achsigen Reko-Wagen Bghw und BDghws waren nicht für den internationalen Verkehr vorgesehen – aber wagentechnisch international zugelassen. Gerade bezüglich der BDghws war deren Einsatz im innerdeutschen Verkehr aber nicht unüblich.
Eine Besonderheit im Reiseverkehr der DR war die planmäßige Einstellung von Häftlingstransportwagen in bestimmte Züge an genau festgelegten Wochentagen. Die Häftlingstransportwagen (Zellenwagen) liefen generell an der Zugspitze bzw. am Zugende – auch vor bzw. nach evtl. eingereihten Gepäck- und Postwagen.
Bis zum „flächendeckenden“ Einsatz der BR132 auf den nichtelektrifizierten Hauptstrecken war die Kapazität der Reisezüge zu erheblichen Teilen von der Leistungsfähigkeit der verfügbaren Triebfahrzeuge bestimmt worden. Stichworte hierzu sind der zahlenmäßig begrenzte Park an Lok der Baureihen 01, 01.5, 03.10, 22, der Einsatz von Lok der BR03 in Plänen der 01, teilweiser Einsatz der BR38 im Schnellzugdienst oder die für den schweren Schnellzugdienst zu geringe Leistung der BR118. Alternativ war der Einsatz der BR41 im Schnellzugdienst bei dann geringerer Höchstgeschwindigkeit.
Aufgrund des planmäßigen Einsatzes von Dampfloks bis in die 80-er Jahre und der Loks der BR118 im schnellfahrenden Reiseverkehr war die Ausrüstung der meisten schnellzugtauglichen Wagen mit Dampfheizeinrichtung für die DR ein absolutes Erfordernis.
In den Anlagen finden sich einige ausgewählte Wagenreihungen für den schnellfahrenden Binnenverkehr des Jahres 1975.