Grundsätzliches zur Zugbildung im Reiseverkehr der DR
Da offenbar immer wieder Bedarf an Aussagen zur Zugbildung bei der DR im Reisezugdienst besteht, will ich mich hier und heute mit einem (zusammenfassenden) Grundsatz-Statement zu Wort melden. Das Thema wird sich nicht mit einem einzigen Beitrag „erschlagen“ lassen und die Bearbeitung des Thema wird längere Zeit in Anspruch nehmen.
In welcher Form ich die einzelnen Beiträge zusammenfassen werde, weiß ich heute noch nicht mit Bestimmtheit – vielleicht im Lexikon, aber vielleicht mache ich das auch analog zu meinen Testberichten zur 50.35 und 120 auf meiner Homepage mit Link vom Board aus.
Schaun mer mal...
Ja – ich denke auch hier an die Modellbahnfreunde, die von „der breiten Seite, den alten Bundesländern...“ kommen, und natürlich auch an die Freunde „jüngeren Baujahres“, die die DR nicht bewusst kennen gelernt haben.
In welchem Umfang ich das Thema ausbaue, wird auch davon abhängen, in welchem Maße das hier zerlabert werden wird...
Einige, ganz wichtige Dinge vorab...
Häufig hört man bezüglich der Zugbildung bei der DR immer wieder den sinngemäßen (und leider sinnfreien) Spruch, dass eigentlich alles möglich und nichts unmöglich war.
>>> Genau darum geht es hier NICHT. Dinge, die im Bww Kleinkleckersdorf aus was weiß ich für einer Ausnahmesituation heraus gemacht wurden, um den Verkehr aufrecht zu erhalten, sind hier völlig außen vor. Es geht um den Planverkehr – NUR um den Planverkehr. <<<
Auch bei der DR gab es Planverkehr – die DR war kein „Hottentotten-Verein“. Es gab - wie bei jeder anderen halbwegs entwickelten Bahngesellschaft auch – Zugbildungspläne. Zentral von der Hauptverwaltung für den schnellfahrenden Verkehr und dezentral von den einzelnen Rbd’en für den Personenzugdienst, den man heute „neudeutsch“ Nah- bzw. Regionalverkehr nennt.
>>> An diese Zugbildungspläne hatten sich die Bww zu halten, Abweichungen gab es natürlich in begründeten Fällen. Aber solche Dinge wie „Heute haben wir mal wieder einen Zug von X nach Y zu bilden, welche Wagen wollen wir denn heute mal nehmen?“ sind – ein anderer Begriff fällt mir dazu nicht ein – „Dummschwätzertum“. <<<
Die unmittelbaren Nachkriegsjahre sind nicht Teil der Betrachtung. Auch wenn offiziell die Eisenbahn von der sowjetischen Besatzungsmacht „in Volkes Hand“ übergeben wurden, hatte die Besatzungsmacht das Sagen.
>>> Also keine Betrachtungen der Extreme in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Diese „Epoche“ dürften ohnehin nur sehr wenige Moba-Freunde wirklich nachstellen. Eisenbahngeschichtlich ist die Zeit durchaus interessant, aber konsequent nachgestellt wird diese Zeit sicher nur in Ausnahmefällen. <<<
Trotzdem fangen wir mit der Epoche-IIIa an – direkt nach dem Krieg:
Am 01.06.1945 war „Ende und Aus“ für den Pleitegeier... Die „Hoheitszeichen“ des 3. Reiches wurden überstrichen und mit dem neuen „DR“ ersetzt.
>>> Zugläufe mit Reisezugwagen gab es vor allem für die Besatzungsmacht „Rote Armee“. Deren militärisch ausgerichteten „Verkehrsbedürfnissen“ hatte sich jeglicher ziviler Verkehr unterzuordnen und sich auch entsprechend einzuschränken.
Zur die Reparationszüge wurden die Kapazitäten im zivilen Verkehr der DR in einem Maße eingeschränkt, das man sich heute zurückblickend eigentlich nicht mehr vorstellen kann. Der Fahrzeugpark war ohnehin durch Auswirkungen des 2.WK in unvorstellbarem Maß dezimiert. Neubau von Schienenfahrzeugen – hier interessiert nur der Bereich „Reisezugwagen“ – diente ausschließlich den Forderungen der Besatzungsmacht. <<<
Für die späteren Jahre, bis zum Ende der DDR, ist auch folgende Bemerkung für den Reiseverkehr bei der DR noch wichtig:
>>> Aus „psychiatrischer Sicht“ war die DDR narzistisch – d.h. der DR war es (natürlich auf Anweisung von offizieller Seite) wichtig, sich selbst nach außen positiv, und nur positiv, darzustellen. Anders als die DB setzte die DR für Zugläufe ins Ausland (ja – von mir aus auch zur DB und ins Ausland) das Beste ein, was sie an Wagenmaterial und Tfz zu bieten hatte. Das führte dazu, dass Neubauten, auch wenn sie eigentlich für den Nahverkehr konzipiert waren, solange im Fernverkehr – auch und gerade im Verkehr mit der DB – eingesetzt wurden, bis sie in diesen Diensten von der Nachfolgegeneration abgelöst wurden... Typische Beispiele sind der „Interzoneneinsatz“ des E5 bis zur Ablösung durch die Mod-Wagen und dann wiederum durch die Spielarten der „Y“-Wagen.... <<<
Nun wird es konkret... Epoche-III:
Es regiert im Binnenverkehr die Mangelwirtschaft.
>>> Primat bei der DR liegt in der Absicherung des Berufsverkehrs. Privater Fernreiseverkehr ist noch, auch wenn dessen Bedeutung langsam aber stetig zunimmt, von untergeordneter Bedeutung. Aber die DR hat außerordentlich hohen Bedarf im „dienstlichen“ Reiseverkehr... Befehlsempfänger eben... <<<
Erste Neubauten (teilweise unter Nutzung von brauchbaren Altteilen kriegszerstörter Fahrzeuge) waren Wagen für die Besatzungsmacht: Schlafwagenneubauten der Bauarten WLC und WLAB aus den Waggonbaufabriken Görlitz und Bautzen der Baujahre 1950 und 1951...
Bei der DR hatten findige Köpfe (ja – die gab es wirklich!!!) die Idee, das Konzept der Doppelstockwagen wieder aufzugreifen und wesentlich weiterzuentwickeln – und das mit großem Erfolg.
Den Anfang machten die DC13 bzw. DB13 – für den Berufsverkehr in den Ballungsräumen. DB13 ab 1972 auch mit Wendezugeinrichtung gebaut und ältere Garnituren der Bauart 1952 nachgerüstet.
Die Indienststellung der DBv führte zur Freilenkung 4-achsiger Fahrzeuge für den Fernverkehr... Dies betraf insbesondere die sog. Eilzugwagen. Zu einem erheblichen Teil waren die ursprünglich mit offenen Übergängen ausgestatteten Fahrzeuge im Rahmen der Nutzung als Lazarettwagen im 2.WK mit Faltenbälgen ausgestatteten Fahrzeuge nun für den Fernverkehr nutzbar.
Die DC13 / DB13 verkehrten planmäßig nicht im schnellfahrenden Reiseverkehr.
Die DR hat relativ frühzeitig die einzelnen Bauarten von Reisezugwagen in den einzelnen Rbd und diese wiederum in einzelnen Bww konzentriert – beispielsweise eben die Einheitsabteilwagen D21 / D27 in der Rbd Cottbus und dort vor allem in Ostsachsen beim Bww Löbau... Trotzdem verblieben wegen der Vielzahl zur DR gelangten Bauarten von Reisezugwagen eine große Anzahl Bww mit einem sehr bunt gemischten Wagenpark verschiedenster Bauarten, auch von zur DR gekommener ehemaliger Privatbahnen.
Die Schnellzüge der EP-III waren geprägt von den erhaltenen und wieder aufgebauten 4-achsigen Reisezugwagen der Länderbauarten, den vorhandenen DRG-Wagen und den im Krieg auf dem Gebiet der DDR aufgefundenen Beutewagen. „Bauartrein“ gebildete Züge waren eine absolute Ausnahmenerscheinung.
>>> Jede Rbd hatte eigentlich ihre persönliche „Müllhalde“ – jeweils ein Bww, wo der absolute „Restbestand“ konzentriert und weiter genutzt wurde.
Für die Rbd Cottbus war das z.B. das Bww Löbau und in der Rbd Magdeburg das Bww Salzwedel... <<<
Neue Fahrzeuge im Fernreiseverkehr
Den Anfang im schnellfahrenden Reiseverkehr machte 1954 der sog. E5 – eigentlich ein Wagen für den Regionalverkehr, der aber aus Sicht der „DDR-Oberen“ und auch aus praktischer Sicht für den Fernverkehr geeignet war.
Im Binnenreiseverkehr gab es ab 1956 den ersten nennenswerten Zuwachs durch die Doppelstockgliederzüge. Hohe Beförderungskapzität bei normalen Zuglängen war die Devise...
1956 begann die DR mit der Rekonstruktion von 2- und 3-achsigen Länderbahn-Personenwagen.
Dann ging es eigentlich Schlag auf Schlag:
-„Modernisierung“ von DRG-Schnellzugwagen der Bauarten 35 und 38 im RAW Delitzsch: DER MODERISIERUNGSWAGEN entstand – für den Einsatz „nach dem Westen“ und für „Städteschnellverkehr“ (gemeinsam mit dem E5).
-1962 die Revolution bei den DR-Neubauwagen: die „B“-Wagen als Vorläufer der allg. als „Y“-Wagen bekannten „RGW-Einheitswagen“. 24,5m lang und als Kennzeichen das gotische Dach. DER international eingesetzte Wagen der DR und DER „Ostblockwagen“...
-ab 1966 (?) : 4-achsige Reko-Wagen (nur 2.Klasse) vom RAW Halberstadt in zunehmend großer Zahl. Eigentlich ein reiner Nahverkehrswagen, aber eben bis Ende der 70-er Jahre DER Sitzwagen im schnellfahrenden Binnenreiseverkehr der DR. Es gibt wohl nur wenige DDR-Bürger, die in den 70-er Jahre nicht nachts im Bghw an die Ostsee in den Urlaub gefahren sind.
Am schnellfahrenden Binnenverkehr dominierte nicht selten noch der DRG-Eilzugwagen, zusammen mit den verbliebenen Länderbahn-Schnellzugwagen und den 4-achsigen Beutewagen aus Frankreich, Belgien, Italien und Polen...
Zusammenfassend kann man sagen, dass die DR alles daran setzte, insbesondere in den „Interzonenzüge“ das modernste verfügbare Material einzusetzen – glänzen vor dem Klassenfeind...
Im heute als Regionalverkehr bezeichneten Personenverkehr liefen noch immer die Abteilwagen aus der Länderbahnzeit, die DRG-Abteil- und Durchgangswagen, ehemalige Privatbahnwagen und eben die nicht selten als „Genickschusswagen“ bezeichneten 2- bzw. 3-achsigen Rekowagen. Garnituren mit 8 und mehr Wagen waren keine Seltenheit...
Die ersten Jahre in der Epoche-IV...
Das Schlüsselwort für den Binnenschnellverkehr der 70-er Jahre bei der DR heißt „Bghw“ – anfänglich als Umbau aus Länderbahn-Abteilwagen und letztendlich als Neubauwagen. Ihm gehörten die großen Anteile im Binnenschnellverkehr und dem Mod-Wagen im Städteschnellverkehr. International dominiert seitens der DR der „B“, „Y“ und „Y/B70“...
- Ein Teil der E5 wurden für den S-Bahn-ähnlichen Verkehr in den Ballungsgebieten Halle/Leipzig und Magdeburg hergerichtet und standen dem Fernverkehr nicht mehr zur Verfügung...
Dann kam der Bmh aus dem RAW Halberstadt... Er verdrängte zunehmend den Bghw aus dem Schnellzugdienst in untergeordnete Dienste, in dem zunehmend die Reko-3-Achser entbehrlich wurden und der z-Stellung anheim fielen...
Das RAW Halberstadt stellte die Fertigung des Bghw / BDghws ein und fertigte fortan nur noch Wagen mit einer LüP von 26,5m... (Bmh und Bm, Am, Abm, Bcm).
Die Doppelstockgliederzüge „verschwanden“ mehr und mehr aus dem Fernverkehr...
ZUSAMMENFASSUNG:
Die 50-er Jahre:
Der Binnenfernverkehr wurde fast ausschließlich – mit Ausnahme der E5 – von Altbauwagen geprägt. Auch die DRG-Eilzugwagen liefen vorwiegend im schnellfahrenden Verkehr. Stark frequentierte Umläufe des Schnellzugverkehrs verkehrten mit Doppelstockgliederzügen (DBG).
Der Personenzugverkehr wurde mit 2- und 3-achsigen Wagen der ehemaligen Länderbahnen und den 2-achsigen Bauarten der DRG abgewickelt, ergänzt durch 4-achsige Länderbahn-Abteilwagen und 2- und 4-teiligen Doppelstockgarnituren in den Ballungsgebieten.
Die 60-er Jahre:
Der neu eingeführte Städtschnellverkehr wurde mit E5 und Mod-Wagen realisiert. „Normale“ Schnellzugverbindungen verkehrten weiterhin mit Altbauwagen und DBG.
Im Nahverkehr dominierten zunehmend die Bag bzw. Baag, die zwar immer mehr ehemalige Länderbahnwagen ablösten, ohne aber die DRG-Altbaufahrzeuge umfassend zu verdrängen, die teilweise noch modernisiert wurden.
Die 70-er Jahre:
Der Reko-4-Achser (Bghw) wurden immer mehr in der 2.Klasse DER Wagen im Binnenschnellverkehr der DR. Die 1.-Klasse-Wagen waren meist Mod-Wagen... Speise-, Schlaf- und Liegewagen waren immer noch vorherrschend Altbauten bzw. die kurz nach dem Krieg in Dienst gestellten Nachkriegsbauten nach DRG-Vorbild (WR4ü-39, WLAB4ü-52, Bc4ü-50, Bc4ü-51). Noch in Dienst stehende Eilzugwagen verkehrten zum Abfahren der Fristen nicht selten in Zügen des Nahverkehrs. Ende der 70-er Jahre lösten Liegewagen der Bauart Bcm (26,5m) die ehemaligen WLC der Bauarten 50 und 51 ab.
Bisher im Fernverkehr eingesetzte DBG wurden zunehmend in den Berufsverkehr der Ballungsgebiete abgedrängt.
Ein erheblicher Teil der E5 ist für den S-Bahn-Verkehr in den Bezirksstädten hergerichtet worden - teilweise (Leipzig) mit Sonderlackierung. International in Richtung „Osten“ dominierten bereits die Bauarten des „Y“...
Die 80-er Jahre:
Der Halberstädter Bmh und des Seitengang-Bruder Bm lösten immer mehr den Bghw im Fernverkehr ab, der seinerseits die verbliebenen DRG-Altbauten und Bag / Baag im Nahverkehr ablöste.
Auch Mod-Wagen verkehrten zunehmend in Umläufen des Nahverkehrs.
In den Ballungsgebieten wurden vermehrt Doppelstockeinzelwagen eingesetzt – in wenigen Fällen verkehren die als DBm bezeichneten Wagen auch in Eilzügen.
Bei der DR verkehrten die meisten Züge außerhalb der Ballungsräume im Nah- und Fernverkehr mit Gepäckwagen anfangs mit Gepäckwagen – die Einführung der Expressgutzüge (Gex) machte die Pw in den schnellfahrenden Reisezügen entbehrlich. Nur wenige Wagen (die Mod-Gepäckwagen Dgs) verfügten über einen Seitengang und konnten auch in der Mitte der Züge eingestellt werden.
Einzelne Schlaf- und Liegewagen wurden den Garnituren der Binnenfernverkehrs für die Nachtverbindungen beigestellt – sie waren an der Zugspitze bzw. am Zugende eingereiht und in den Nachtstunden zur Wahrung der Ruhe für die Reisenden allgemein abgeschlossen...
Speisewagen verkehrten im Binnenverkehr nur in relativ geringer Zahl – bis in die 70-er Jahre nicht selten mit Altbauwagen, auch international. Zum einfachen Zu- und Absetzen auf Unterwegsbahnhöfen waren auch diese häufig an der Zugspitze bzw. am Zugende eingereiht.
„Blockzüge“ waren bei der DR nur selten oder gar nicht zu finden - Wagen der 1.Klasse waren meist in der Zugmitte eingereiht und gegenüber den Wagen der 2.Klasse deutlich in der Unterzahl – mehr als zwei 1.-Klasse-Wagen innerhalb einer Wagengarnitur waren selten...
Der Einsatz von Kurswagen war allgemein üblich.
Personen- und Eilzüge führten meist nur Wagen der 2.Klasse.
Eine besondere Stellung nehmen die sog. Städte-Express-Züge ein, die hier ausdrücklich nicht betrachtet werden sollen.
Schnellzüge hatten bei der DR nicht selten erhebliche Zuglängen aufzuweisen – für einen Schnellzug waren 11 Sitzwagen das häufig praktizierte Maß und Zuglängen mit weniger als 7 oder 8 Wagen eher die Ausnahme. Es gab Umläufe, die mit bis zu 16 Wagen gefahren wurden. Züge des schnellfahrenden Binnenverkehrs führten insbesondere in den Sommermonaten Kurswagengruppen aus internationalen Umläufen.
Die Bespannung der Züge des Reiseverkehrs ist ein eigenständiges und vor allem umfassendes Thema, dass hier ausdrücklich nicht behandelt werden soll...
>>> Das hier angerissene Thema ist überaus komplex, für ergänzende Beiträge bin ich überaus dankbar... <<<
FD851