In der vergangenen Arbeitswoche verschlug es mich nach Ludwigsfelde. Was lag also näher als die Mittagspause mal im MUST (Museum für Stadt und Technik) zu verbringen.
Das Museum befindet sich im alten
Bahnhof der Stadt. Ergänzt hat man dazu das Bahnhofsgebäude mit einem Neubau.
Die Ursprünge der industriellen Entwicklung sind stark mit dem 2. WK verbunden. Im Januar 1936 erfolgte der "erste Spatenstich" für das neue Flugzeugmotorenwerk von Daimler-Benz. Die ursprüngliche Planung sah vor, dass dort auch Motoren für Schiffe und Eisenbahnfahrzeuge gebaut werden sollten. Aber es kam anders.
Nach dem 2. WK wurde das Werk demontiert und an eine neue industrielle Nutzung war vorerst nicht zu denken. "Über Wasser" hielt man sich mit einen Reparaturwerk. 1952 wurde auf Beschluss der Partei- und Staatsführung der VEB Industriewerke Ludwigsfelde (IWL) gegründet. Zunächst sollten in Ludwigsfelde Schiffsdiesel produziert werden. Die Vorarbeiten mussten jedoch auf Weisung der Partei- und Staatsführung wieder. IWL war zunächst nur als Lohnfertiger für andere Industrieunternehmen tätig.
1954 verlies das 1. Fahrzeug die Ludwigsfelder Produktionsanlagen.
Das war die Diesel-Ameise "DK 2002". Diese hatte man vom VEB Preß- und Stanzwerk Brand-Erbisdorf übernommen, da dort die Kapazitäten bei weitem nicht ausreichten. Allerdings "hackte" es auch in Ludwigsfelde und man konnte den Bedarf nicht decken. Zu dachte man darüber nach, dass der VEB Fahrzeugwerk Waltershausen als Zulieferer tätig wird. Schlussendlich wurde aber die komplette Produktion 1956 nach Thüringen verlagert, was 1960 zum Entstehen der Marke "Multicar" führte.
Parallel zur Fertigung der Dieselameise beschäftigte man sich mit der Aufnahme der Fertigung von Motorrollen, wie es von der Partei- und Staatsführung gefordert wurde. An der der Motorroller-Welle aus Italien kam man auch nicht in der DDR vorbei.
IWL musste innerhalb kurzer Zeit "liefern". U.a. studierte man deshalb auch zwei Eigenbauten von Tüftlern auf dem Gebiet der DDR.
Einer dieser Roller war der Falz IV "Sibylle" mit einem 175ccm Motor von CZ. Anfang der 1950er Jahre baute August Falz aus Döbeln 4 Roller mit unterschiedlicher Motorisierung.
Im Februar 1956 verlies der erste Serienroller nach zahlreichen Anlaufschwierigkeiten die Ludwigsfelder Produktionsbänder.
Den Start machte der Pitty. Es folgten Wiesel, Berlin und der Troll1.
Am 24. Dezember 1964 endete die Rollerproduktion in Ludwigsfelde. Auch nie in Serie gab es einen Berlin-Roller mit Seitenwagen.
Neben den Motorrollern wurden auch Bootsmotoren gefertigt. Ludwigsfelde war auch aus Produktionsort für das Strahltriebwerk "Pirna 014" für die Baade 156 vorgesehen. Mit der Entscheidung den Flugzeugbau in Dresden zu den Akten zu legen, standen in Ludwigsfelde freie Produktionskapazitäten zur Verfügung. So montierte man ab 1963 den Geländewagen P3. Dessen Produktion lief im Oktober 1965 aus.
Der 17. Juli 1965 war ein besonderer Tag. An diesem Tag lief der 1. Serien-LKW vom Typ IFA W50 von den Ludwigsfeldern Produktionsbändern. Einen Tag später erhielt Ludwigsfelde das Stadtrecht.
Das Fahrzeug lief bis 1974 bei einer LPG im Kreis Anklam (Bezirk Neubrandenburg). Dann kaufte das Ludwigsfelder Werk den LKW zurück. Bevor er wieder in den Auslieferungszustand zurück versetzt wurde, bekam der einen Kofferaufbau verpasst und diente der Lehrlingsanwerbung.
Ein paar Details, die nur die ersten Serienexemplare hatten.
Eine Klappe unter der sich der Kühlwasserstupfen befand und dazu das kleine IWL-Logo.
Reserverad seitlich unterhalb der Pritsche.
Zur Zeit läuft eine Sonderausstellung unter dem Thema "technik in form". Es wird das Lebenswerk des Formgestalters Eberhard Heinig gewürdigt.
Ein Werk von Eberhard Heinig u.a. ist die Gestaltung der Kehrmaschine KM2301, die ab 1981 in Berlin-Adlershof auf Basis des W50 vom Band lief. Eine Kehrmaschine auf Basis des W50 gab es bereits ab 1971, allerdings war die Rechtslenkung, die es nicht in Serie gab, immer ein Produktionsproblem. So war es "leichter" ein neues Fahrerhaus zu fertigen und die Serienlenkung zu nutzen...
Entwickelt hat Eberhard Heinig auch das "Design" des Hochdruckspülwagens auf Basis des IFA W50.
Ein Großteil seines Wirkens erfolgte, teilweise als freiberuflicher Formgestalter, für Wartburg. So entstand unter seiner Mitwirkung der Wartburg 355. Hans Fleischer und Eberhard Heinig gestalteten jeweils Modelle für das Coupé. Aus beiden Entwürfen entstanden dann ein gemeinsamer Prototyp.
Andere Werke seinen Werkens fand man bei Barkas (u.a. Stoßstange mit Gummipuffer) oder Takraf.
In Ludwigsfelde arbeitete an Nachfolgern für den W50. So entstand u.a. der 6400er Fahrerhaus. Das Design wurde u.a. von Prof. Claus Dietel entwickelt.
So entstanden zahlreiche Prototypen unter Verwendung des 6400er Fahrerhauses. 1977 wurde das Funktionsmuster F225 mit Kühlkoffer. Zu einer Fertigung kam es bekanntlich nicht. Das Exemplar wurde nicht verschrottet und überstand "versteckt" die Wende. In den Wendewirren gelangte der LKW allerdings nach Russland. Dort wurde er wiederentdeckt und kam 2008 zurück nach Ludwigsfelde.
Nach weiteren "Versuchen" mit Fahrerhäusern von Volvo und Steyr lief dann erst 1987 die Serienproduktion des L60 mit einer "modifizierten" alten W50-Hütte an.
Vor dem L60 stehen auch Entwürfe für den Nachfolger L70 (1989 von Gerhard Lass gezeichnet).
Mit der Wende kam Mercedes-Benz nach Ludwigsfelde zurück. Zunächst gab es noch die Hoffnung, dass der L60 mit einer Hütte des LN2 von Mercedes weiterleben konnte. Doch Mercedes entschied sich dagegen und verlagerte stattdessen die Produktion des T2 (ab 1996 als Vario) von Düsseldorf nach Brandenburg. Später gestellte sich auch noch der Sprinter und der erfolglose Vaneo hinzu. Nach ersatzlosen Auslaufen der Vario-Produktion (2013) werden in Ludwigsfelde ausschließlich Sprinter produziert.
Auch wenn Mercedes seit nunmehr über 30 Jahren Fahrzeuge in Ludwigsfelde produziert, wird die Stadt immer mit dem IFA W50 in Verbindung bleiben.
Vom 11. bis 13. August veranstaltet die Stadt Ludwigsfelde daher auch 6. IFA-Nutzfahrzeugtreffen.
Das MUST ist Dienstag bis Sonntag für die Besucher geöffnet. Die Sonderausstellung "technik in form" ist noch bis zum 13. August geöffnet.