Wollen wir dem Spekulatius ein paar Fakten entgegen stellen?
Die Sache mit den Mengen ist viel einfacher:
Die Planung eines Produkts hat üblicherweise ca 2 Jahre Vorlauf.
Rechnet mal etwa ein halbes bis ein Jahr Arbeit, bevor ihr überhaupt das erste mal davon hört: Von "wir wollen Modell X machen" über Lizenzen einholen, Dekoration (Lackierung, Bedruckung) klären, Machbarkeitsdetails prüfen (Form bzw. Formvatianten), Zeichnungen bzw. CAD-Muster erstellen, bis hin zu eventuell Handmustern usw. - erst wenn das alles gemacht ist, kommt das Modell in den Katalog bzw. wird öffentlich angekündigt. (Ausnahmen gibt's, aber für den Tillig-Katalog gilt das bspw. so)
Parallel dazu erfolgt die
Produktionsplanung. Bei größeren Herstellern oder Auftragsfertigern liegt der Vorlauf in der Regel bei ca 1 bis 1,5 Jahren. Will heißen: Die meisten planen heute schon, was sie im Februar 2026(!) produzieren werden. Da hängen schließlich Dinge dran wie Materialeinkauf (genug Plastikgranulat, Farbe, Radsätze, ... auf Lager?), Mitarbeiterplanung (Urlaub, Auslastung, nötige Neueinstellungen, ..?), Maschinenauslastung, ganze Logistikketten, Finanzplanung, ....
Kleinere Hersteller planen da ca. 1 Jahr im voraus. Das macht sie etwas flexibler, hat aber auch Grenzen. Und mehr Risiken. Wenn ich bei einem großen Zulieferer anfrage, weil mir irgendwelche Teile fehlen - kann gut sein, dass ich da selbst binnen Monaten nichts kriege. Erinnert ihr euch noch daran, wie Tilligs Kupplungen oder Y-Speichenräder vor 2 Jahren für Monate nicht erhältlich waren? Ich habe die nötigen Mengen für meine Salonwagen-Bausätze in Form von Restbeständen bei zig Händlern zusammensuchen müssen!
Damit plant man nicht auf Minimalmenge (würde man das tun, würde man ggf. gleich noch "exklusiv", "limitiert" usw. dranschreiben und ein nummeriertes Zertifikat beilegen. Zack, teurer!). Man plant eine Menge, von der man glaubt, dass sie für alle Vorbesteller + die erwarteten "ich entscheide mich, wenn ich das Produkt sehe"-Käufer reicht und dann noch eine kleine(!) Menge im Lager zurücklässt. Weil - oh Wunder - Ware, die ich herstelle aber nicht verkaufe, kostet mich Geld. Wenn es keinen Abverkauf gibt, bedeutet das in der Regel, dass der Hersteller richtig(!) geplant hat. Ein Abverkauf mag aus Kundensicht ja ganz toll sein. Aus Hersteller- und Händlersicht bedeutet er aber vielmehr Schadensbegrenzung. Wer das ständig macht, geht wahrscheinlich irgendwann pleite.
Wer das zusammenzählt, merkt es schon:
Wenn ein Neuheitenkatalog veröffentlicht wird, steht für einen Teil der Produkte darin die Produktionsplanung bereits fest. Würde Tilig jetzt erstmal auf eure Bestellungen warten und dann erst produzieren - ihr würdet die 2025er Neuheiten Ende 2026 oder noch später bekommen! Wenn die Nachfrage nun unerwartet höher oder niedriger ausfällt, wird man selbstverständlich versuchen, anzupassen. Das geht aber nur in Grenzen. Einfach mal doppelt so viele Postwagen produzieren? Hm ja, sind halt die Schleifer für die Innenbleuchtung nicht da, und weil dafür diese eine spezielle 4-Farb-Druckmaschine benötigt wird, kann dann die Exklusivserie für $Händler nicht rechtzeitig abgeschlossen werden. Der hat aber 'nen verbindlichen Liefertermin, weil Firmenjubiläum. Macht aber nix, die Schleifer können wir vom
Speisewagen nehmen und die Postwagen in dessen Zeitslot mit reinschieben. Oh - dann kommt der Speisewagen dieses Jahr aber gar nicht mehr zur Auslieferung...
Ihr könnt euch also aussuchen, worüber ihr euch ärgern wollt. Dass von einigen Modellen die Auflage nicht passt oder dass einige Modelle viel zu spät kommen.
Trivialbeispiel:
Die Mengen für meinen 316er, den ich nächste Woche in Dresden zur Messe ausliefere, habe ich beispielsweise bereits festgelegt, lange bevor das Projekt überhaupt öffentlich angekündigt wurde. Ich hab also nach Erfahrung geschätzt. Hätte ich groß daneben gelegen, wäre ich entweder auf ganz vielen
Wagen sitzen geblieben oder ein Teil von euch wäre erstmal leer ausgegangen. Und ich habe das Glück, dass Hädl extrem entgegenkommend und flexibel ist! Da konnten wir aus ursprünglich geplanten 3 Varianten stattdessen 4 machen - bei fast gleicher Menge, die haben wir nur minimal angepasst. Wenn ich jetzt plötzlich doppelt so viele bräuchte würden die trotzdem erst 2026 fertig werden. Oder ich müsste andere, von mir ebenfalls geplante Wagen stattdessen nach hinten verschieben.
Btw: Ich grübel längst über Planungen für 2026 und 2027. Auch bei mir haben Projekte zum Teil zwei Jahre Vorlaufzeit.
Ich hoffe, das hilft einigen, die Lieferzeit- und Produktionschargen-Thematik besser zu verstehen. Natürlich dürfen manche auch glauben, dass die Hersteller alle bösartig sind und euch die euch gerecht zustehenden Modelle vorenthalten wollen. In dem Falle kann ich nur empfehlen, es selber und selber besser zu machen! Bei so viel unfähiger und bösartiger Konkurrenz müsste es ja leicht sein, in der Branche Geld zu verdienen - einfach, weil man schneller liefert
Mein Gefühl ist, dass die Kaufkraft schon seit letztem Herbst katastrophal schlecht aussieht. Die ging seit zwei Jahren kontinuierlich bergab - gemessen an den Vorbestellzahlen, die ich sehe, im Verhältnis zu Stornierungen wegen Geldmangels etc.
Aber seit Herbst spüre ich dass wirklich gewaltig, da gab es einen richtigen Knick nach unten.
Auch dieses Gefühl würde ich gerne durch Fakten ersetzen: kommt zur Dresdner Messe nächste Woche bitte alle bei mir vorbei! Da wird es eine kleine Umfrage geben, mit der ich u.a. diesen Punkt durch Messergebnisse überprüfen möchte.
Tillig hat im neuesten Clubmagazin übrigens auch wieder Umfrageergebnisse veröffentlicht. Leider noch nicht viel aufs Geld bezogen, aber zumindest auf Interessenverteilung etc.
Im TT-Kurier stand zuletzt auch was dazu.