Am Tag davor war die CC 7101 ebenfalls mit ihrem 111 t schweren Versuchszug unterwegs. Die
Wagenübergänge erhielten bei beiden Zügen aerodynamische Verkleidungen und am letzten Wagen wurde eine Endhaube angebracht.
Die Fahrt verlief bis zum km 68 ziemlich genau entsprechend den vorberechneten Werten. In Höhe des Unterwerkes Licaugas, gleichzeitig auch Sitz des Versuchsleiters an der Strecke, wurde auch hier der hintere Stromabnehmer durch Reibungshitze und hohe Stromaufnahme bei einer Geschwindigkeit von 326 km/h zerstört.
Ein Wechsel auf den vorderen Stromabnehmer, wie bei der BB 9004, war an dieser Stelle nicht mehr möglich. Beim antriebslosen Rollen verlor der Testzug 12 km/h pro gefahrenen Kilometer. Die Beschleunigung betrug bei Geschwindigkeiten über 300 km/h nur noch 3 km/h pro Kilometer. Bis der hintere Bügel am Fahrdraht gewesen wäre und die Beschleunigung wieder eingesetzt hätte, wäre der "Point of no Return" in km 76 am
Bahnhof Ychoux erreicht gewesen.
Die Lokomotive CC 7107 steht heute im Museum in Mulhouse.
Ebenso wie die BB 9004, die nach ihrer Ausmusterung aus dem Betriebsdienst einen Platz im Museum fand.
Und jetzt staunt man ein wenig. Obwohl die CC 7101 gemäß Versuchsprotokoll "nur" 326 km/h erreichte und die BB 9004 einen Tag später 331 km/h wurden beiden
Lokomotiven der Weltrekord von 331 km/h zuerkannt. Das finde ich eine faire Lösung und beide Lokomotivbauanstalten konnten so ihr Gesicht wahren. Ich hab da im Museum ein bisschen Gänsehaut bekommen.
Das Unterwerk Licaugas im km 68. Hier sollten beide Versuchsfahrten rein rechnerisch 330 km/h erreichen. Dazu war in erster Linie eine ausreichende Stromversorgung notwendig. Für die Versuche wurde die bestehende unzureichende Stromversorgung auf der Strecke im Beschleinigungsabschnitt ausgebaut und ergänzt. Im Lamothe im km 42 (3000 kW), Lugos in km 62 (4000 kW) und Ychoux in km 76 (4000 kW) wurden transportable Umformerwerke aufgestellt. Die Fahrdrahtspannung wurde von den üblichen 1500 V bis auf die maximal möglichen 1700 V erhöht, um die erforderlichen Stromstärken auf die Lokomotiven zu übertragen. Die Amperemeter auf den Lokomotiven hatten nur einen Meßbereich bis 4800 A. Tatsächlich wurden bei den Versuchen bis 5100 A aus der Oberleitung entnommen. Kein Wunder, dass da die mit 4 Schleifstücken bestückten Stromabnehmern den Dienst versagten.
Bei der Suche nach dem Unterwerk (so ist die korrekte Bezeichnung, auch bei Gleichstrombetrieb) Licaugas half mir Google Maps. Einen Ort namens Licaugas gibt es in Frankreich nicht. Heute heißt die Ansammlung von 3 Häusen Licaougas. Was doch ein o für einen Unterschied macht.
Die Anschrift am Unterwerk zeigte mir, ich war an der richtigen Stelle. Heute ist das Unterwerk (Unterwerk mit Gleichrichterwerk) unbesetzt und ferngesteuert. 1955 saß hier der Versuchsleiter an der Strecke um die bestmögliche Stromversorgung der Versuchsfahten zu gewährleisten. Normalerweise läuft das Unterwerk im Ruhebetrieb. Befährt ein Zug den Speiseabschnitt des Unterwerkes und zieht die entsprechende Leistung, heulen die Kühlerlüfter auf und zeigen dem unbedarften Fotografen das nahen eines Zuges an. Ein guter Indikator.
Die Stromversorgung einer 1,5 kV Gleichstrombahn erfordert eine gute Rückstromführung. Hier der Anschluss an die Schienen.
Die Stromversorgung des Unterwerkes Licaugas erfolgt heute über die Linie Masquet - Parentis mit 63 kV mit einem Abstecher zum Unterwerk.
Sicherheit geht vor.
Mathias