Schwerpunkt-Wanderung
Wenn Bahnhöfe einmal gebaut sind, bleiben sie im Grundsatz lange Zeit so. Natürlich gibt es Spurplanänderungen, Rationalisierungen, Ergänzungen, Umbauten. Aber die betrieblichen Schwerpunkte bzw. Funktionen bleiben in der räumlichen Anordnung in aller Regel gleich. Manchmal gibt es aber Transformationen, bei denen sich der betriebliche Schwerpunkt
innerhalb eines Bahnhofs verlagert. Und darin liegt modellbahnerisches Potenzial, finde ich. Als erstes möchte ich ein Beispiel aus Polen vorstellen:
Die Kreisbahn Krotoschin-Pleschen/Krotoszyńska Kolej Dojazdowa verband die gleichnamigen Städte (Krotoszyn, Pleszew) in 750mm Schmalspur, und wurde 1946 noch über Pleschen Stadt/Pleszew Miasto nach Broniszewice verlängert. Die Kreisbahn kreuzte die Hauptbahn Kluczbork–Poznań beim Bahnhof Pleszew. Dieser Regelspurbahnhof liegt eigentlich 4 Kilometer von der Stadt entfernt im Ort Kowalew und die Kreisbahn stellte eine bequeme Verbindung her. Der Abschnitt Pleszew-Pleszew Miasto wurde zuerst in Regelspur angelegt und später dreischienig ausgebaut. Die rein schmalspurigen Abschnitte der Kreisbahn sind stillgelegt, aber die Verbindung Pleszew-Pleszew Miasto existiert nach wie vor - und zwar dreischienig! Sie wird von einer Privatbahn bedient. Wenn ich es richtig erfasst habe, wurde die Strecke Pleszew-Pleszew Miasto nach Stilllegung des Personenverkehrs auf der übrigen Kreisbahn im Personenverkehr auf der Schmalspur, im Güterverkehr auf der Normalspur bedient.
Mein Augenmerk gilt dem Kreisbahnhof beim "Hauptbahnhof" Pleszew,
Pleszew Wąskorotowy, den die Fahrgäste nach einem kurzen Fußweg von der Hauptbahn herüber erreichen. Diesen Weg, die Umgebung und den Kreisbahnhof kann man sehr schön im ->
Google Streetview nachvollziehen. Der
Personenbahnhof Pleszew Wąsk. ist dreigleisig, das vom EG aus entfernteste der Gleise ist schmalspurig und weist eine Bahnsteigkante auf. Außerdem gibt es das regelspurige Hausbahnsteiggleis. Dazwischen liegt ein regelspuriges Abstellgleis, das früher eine Umfahrungsmöglichkeit bot. Der weitere Schmalspurteil lag jenseits des "ortsbildprägenden" Bahnübergangs. Dorthin zieht der Schmalspurzug vor,
um umzusetzen. Zwischen diesem "Fiddleyard" und dem Verbindungsgleis der Kreisbahn zur Hauptbahn befanden sich ursprünglich weitere schmalspurige Anlagen der Kreisbahn, die aber längst abgebaut sind; den Ursprungszustand zeigt der fast ->
historische Gleisplan, den Michał Gliniecki nach einem Besuch 1992 angefertigt hatte.
Eigentlich könnte ich jetzt schon aufhören, denn die Entdeckung dieses Bahnhofs ist für mich gefühlt schon Stoff für einen ganzen Urlaubstag gewesen. Aber ich will ja auf das eingeführte Thema zurückkommen
und auf die Verschiebung des betrieblichen Schwerpunkts bei Pleszew Wąsk. hinaus. (Ja, das geht selbst auf einem so überschaubaren Fleckchen Eisenbahnwelt!)
Die erste Verlagerung ist die von der Schmalspur zur Regelspur: Die Verbindung Kreisbahnhof-Stadtbahnhof wurde vor noch nicht allzu langer Zeit mittels ->
Lyd1 und rumänischen Beiwagen, heute regelmäßig mit einer importierten ->
tschechischen Brotbüchse sichergestellt. Auf der Schmalspur scheinen mir nur noch Sonderfahrten unterwegs zu sein. Damit "wanderte" also der verbliebene fahrplanmäßige Personenverkehr vom Inselbahnsteig zum Hausbahnsteig. Hierfür wurden jedoch noch besondere Vorkehrungen getroffen: beachtet bitte links in diesem ->
Bild die Hausbahnsteigkante. Jetzt kommt die zweite Verlagerung: Um den Fahrgästen den Umstieg zur Kreisbahn offensichtlich so komfortabel wie möglich zu machen (!), wurde der Regelspurbahnsteig unmittelbar an den Bahnübergang heran verschoben, sprich: ein ->
neuer Kurzbahnsteig für die Brotbüchse ->
direkt am Bü errichtet! Wenn Ihr die Situation im ->
Streetview genauer anschaut, ist zu sehen, dass der Zugang mittlerweile sogar barrierrearm gestaltet wurde und dass die vormaligen altbrauchbaren Gehwegplatten gegen ein ordentliches Verbundpflaster ausgetauscht worden sind...
Was will ich damit sagen? Im Grunde genommen: Platz ist in der kleinsten Hütte - selbst für einen Anschlussbahnhof mit Normal- und Schmalspur. ...denn spätestens durch die Wanderung des betrieblichen Schwerpunkts an den Bü heran kann man alles mMn Wichtige an Pleszew Wąsk. in einem ->
kurzen Bildausschnitt darstellen, der rechts vom EG und links von der Bebauung vor dem Bü begrenzt wird. Das sind in realiter kaum 60 Meter! Ich werde das mal noch zeichnen, damit es besser vorstellbar wird.
Achja: und frohes neues Jahr allerseits!
Soweit für den Moment. Das nächste Beispiel folgt alsbald...