Fotos unserer neuen 316er
Während ich hier in Utrecht sitze und auf die morgen beginnende
On traXS warte, komme ich endlich dazu, euch ein paar Bilder der neuesten
Wagen zu zeigen. Die 316er in der braunroten Verbandsausführung sind ja gleich in
vier verschiedenen Varianten erschienen.
Auf meiner
Themenseite zu den Wagen findet ihr schon sehr viele Hintergrundinfos. Hier mag ich noch einiges ergänzen.
Nummer 16856 der ISEG
Eines der allerletzten erhaltenen Originalfahrzeuge steht
bei der ISEG in Neustadt. Man erkennt sogar noch Reste rotbrauner Farbe daran. Das dürfte ein späteres "Güterwagenbraun" gewesen sein, es ist dunkler als das Braunrot, welches er ab 1917 getragen haben müsste.
Ungefähr so sollte er 1917 ausgesehen haben. Die Reste des Bremserhauses erkennt ihr im Foto noch links am Wagen. Weitere Teile davon konnten gesichert werden und werden hoffentlich im Rahmen der Restaurierung wieder angebaut. Ein paar kleinere Abweichungen zwischen Vorbild und Modell gibt es natürlich. Manche Veränderungen müssen am Vorbild noch rückgebaut werden, andere Kompromisse sind im Modell nicht zu vermeiden. Inklusive dem Umstand, dass die bislang noch aus Kunststoff bestehen ;-) Ich denke, mit dem Bildvergleich wird wirklich greifbar, wie die Beschriftungen einst ausgesehen haben müssen! Bin jedenfalls mächtig stolz darauf, dieses gute Stück inzwischen schon zum zweiten Mal auf die TT-Gleise zu bringen und der ISEG damit ein wenig beim Erhalt des Originals zu helfen.
Nummer 18012 - Not macht erfinderisch
Der Wagen 18017 wurde vermutlich 1915 oder 1916 aufgenommen. Das Bild stammt
aus der Sammlung von
@xv_htv . Danke, dass ich es hier zeigen darf!
Das Foto ist ein regelrechtes Wimmelbild an wertvollen Informationen. Über fast jedes Detail von den Uniformen über die verschiedenen Wagen bis hin zu den Feldküchen(?) und Fuhrwerken auf dem Flachwagen könnte man ganze Essays schreiben. Doch achten wir mal auf die Anschriften, die an dem Wagen ganz links im Bild zu sehen sind: Es handelt sich zweifelsfrei um einen Sächsischen 316er. Die Krone (das sogenannte "Eigenthumsmerkmal") sowie der Schriftzug "K.Sächs.Sts.E.B." sitzen im Vergleich zum regelkonformen ISEG-Wagen jedoch viel zu hoch. Außerdem ist die Schriftart falsch. Da diese breiter als die Sächsische ist, braucht der Schriftzug zwei Zeilen anstatt nur eine. Unter der ebenfalls zu hoch angebrachten Wagennummer stehen allerlei Daten. Die sollten eigentlich ein Seitenwandfeld weiter links unter den anderen Anschriften (Mann, Pferde, Fläche) stehen.
Ob Not-Neubeschriftung im Felde, Aufenthalt in einem Fremden Bww oder sonst etwas: Dank dieses Fotos haben wir eine wunderbare Vorlage für eine Modellumsetzung! Die Wagennummer habe ich sicherheitshalber "knapp daneben" gewählt. Sonst taucht nämlich garantiert ein weiteres Foto des Wagens 18017 auf - in dem man die hier im Bild verdeckten Bereiche sieht. Und dann wäre da bestimmt wieder irgendetwas anders, als ich es im Modell gemacht habe 🙄
Nummer 15149 - Nu da machd doch eiern Drägg alleene!
Der
angebliche Ausspruch des Sächsischen Monarchen bei seiner Abdankung dürfte das populärste sein, was Friedrich August der III. von Sachsen den Geschichtsbüchern hinterlassen hat. Fakt ist: In der frisch gebackenen Republik machten einige sich eifrig daran, die Spuren der Monarchie zu tilgen!
An diesem Wagen seht ihr die typischen Veränderungen dieser Zeit: Die Krone und das "K" wurden geschwind mit roter Farbe übermalt. Schließlich wollte man jetzt nur noch "Sächsische Staatseisenbahnen" sein (ja, Plural), nicht mehr "Königlich". Ferner sieht man, dass an diesem Wagen die Tragfähigkeit von 15750kg durchgestrichen und durch die Angabe "17500kg" ersetzt wurde. Das wurde sehr häufig gemacht, denn das Militär bezahlte pro Wagen und nicht wie zivile Kunden pro Tarifgewicht von 15t. Entsprechend interessiert war man daran, die Wagen entsprechend ihrer echten Belastbarkeit maximal auszunutzen. Die Erhöhung auf 17,5t wurde auch durch das Plus-Symbol unter dem Ladegewichtszeichen deutlich gemacht (rechts oben und auf den Stirnseiten, die 15 im Halbkreis). Da diese Änderungen händisch an den Wagen im Feld nachgetragen wurden, sind sie zudem auf beiden Seiten leicht unterschiedlich ausgeführt.
Um das gute Stück noch etwas interessanter zu machen, habe ich ihm außerdem einen Unfall angedichtet. Durch den Austausch einer Achse (Scheibenradsatz rechts!) musste er neu verwogen werden. Schaut mal genau hin! Auch die Fläche neben "Gew. d. W." wurde rot überstrichen und neu beschriftet! Auf diese Art dokumentiert die Nummer 15149 viele der Veränderungen, welche die Wagen in recht kurzer Zeit erfahren haben.
Nummer 19470 - frisch aus der Werkstatt
Nach Ende des ersten Weltkrieges war der Schadwagenbestand sehr hoch. Manche Revisionen konnten nicht durchgeführt werden, etliche Fristen waren überzogen. Die Reparationen mit ihren umfangreichen Fahrzeugabgaben an die Siegermächte verschärfte die Not zusätzlich. Es dauerte Jahre, den gesamten Wagenbestand wieder ordnungsgemäß aufzuarbeiten. Als Beispiel dafür habe ich den Wagen 19470 für euch ins Ausbesserungswerk geschickt.
Was sofort auffällt: Die Anschriften sind wieder in Ordnung! Alles schön links aufgereiht, nach Sächsischem Muster. Auch die Schriftart stimmt wieder. Und wer genau hinschaut, stellt nicht nur fest, dass jetzt für die zivile Nutzung wieder überall 15t dranstehen, sondern dass auch das Transitzeichen (rechts, mittig) seinen Weg auf diesen Wagen gefunden hat! Das Transitzeichen gibt an, dass dieser Wagen(typ) ohne weitere Überprüfung seiner Abmessungen in den internationalen Verkehr übergehen durfte. Theoretisch hätte es sehr viel öfter angebracht werden müssen, als es der Foto-Lage zufolge tatsächlich angebracht wurde. Dieser hier hat es jedenfalls!
Natürlich hat der Wagen keine Krone mehr. Viel mehr noch: Da steht jetzt nur noch "Sachsen" dran! Dieser Übergang von "Sächs.Sts.E.B." zu "Sachsen" scheint Anfang der 1920er vollzogen worden zu sein. Er wurde jedoch ganz offenbar nicht einheitlich gehandhabt, es gibt mit beiden Varianten zahlreiche Fotos neu beschrifteter Wagen aus der Zeit.
Zur Feier der neuen Zeit haben wir diesem Exemplar außerdem Scheibenräder spendiert. Einfach für die Abwechslung. Und wer sich über das Dach wundert: Im alten Sachsen wurden die Dächer mit Segeltuch eingedeckt, danach mit mehreren Schichten Leinölfirnis behandelt und in der letzten Schicht mit Sand abgestreut. Die Farbe des jeweils gerade verfügbaren Sandes bestimmte daher nicht unerheblich das Erscheinungsbild des (frischen) Daches. Schmutz dürfte bereits nach wenigen Wochen jedoch den größeren Einfluss gehabt haben ;-) Das dunklere Dach dieses Exemplars hier deutet hingegen wahlweise auf die Verwendung von Teerpappen oder von Schrammscher Masse hin - einer Dichtmasse, die ihr euch ein bisschen vorstellen könnt wie Fensterkitt. Auch dies ein Zeichen des Fortschritts jener Zeit.
Was bleibt?
Ich bin froh, mit diesen insgesamt vier Modellen einen kompletten Zug der Zeitgeschichte erschaffen zu haben. Euch ist sicherlich aufgefallen, dass die Revisionsdaten so gewählt sind, dass alle vier Wagen Ende 1921/Anfang 1922 gemeinsam so auf dem Gleis gestanden haben könnten. Und dass die Datumsangaben selbstverständlich alle geprüft sind, zu den Revisionszyklen ausgehend von den echten Baujahren genau dieser Wagennummern passen und dass jedes davon ebenso eine handfeste Begründung hat wie die zum Teil unterschiedlichen Gewichtsangaben und Kreideanschriften. Oder habt ihr etwa nicht so genau hingeschaut? 😉
Wer jetzt neugierig geworden ist und noch welche davon haben will: Es gibt noch Restbestände der Wagen (nicht alle überall):
Greift zu und holt euch eure Lieblingsvariante! Oder gleich alle vier! So viel Geschichte, wie in diesen vier Wagen steckt, hattet ihr in einem ganzen Schuljahr nicht.
Eigenwerbung am Rande: Beiträge mit zusätzlichem Vorbild- und Hintergrundwissen wie diesen, meist in noch ausführlicherer Form und über viel mehr Themen, findet ihr auch auf
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