Ein Reisebericht
Wenn es im Eisenbahnbereich eine Geilheitsskala gibt, dann war diese Reise nach Schweden einfach der oberer Anschlag von dem Ding - ENDGEIL....
Ich will mal versuchen, hier eine Art Reisebericht zu verfassen. Es gab ja doch die eine oder andere Reaktion auf unsere Tour und vielleicht lässt sich ja ein gewisses Interesse wecken, selbst mal an sowas teilzunehmen.
Vorab: Wir (Matthias und ich) haben die Reise nahezu komplett per Internet organisiert. Das war auch für mich eine Premiere und ich bin zufrieden, wie das alles funktioniert hat. Bei der ersten TT-Reise hatten wir als Ziel ja das Museum von Jürgen und damit einen Fixpunkt; diesmal war es ja alles anders...
Nachdem wir am Mittwoch letzter Woche einen Großeinkauf bei der Metro in Dresden gemacht hatten, konnte Steffen das Begleitfahrzeug beladen und er, Annett und Robert starteten am Donnerstag früh 5.00 Uhr in Richtung Rostock zur Fähre. Jan, Yves und ich brachen am Donnerstag früh 8.00 Uhr in Richtung Riesa auf, von wo uns eine RB nach Elsterwerda brachte. Von dort dann per RE nach Wünsdorf und nach einem nochmaligen Umsteigen waren wir 12.20 Uhr in Berlin-Schönefeld. Am Check-In erwarteten uns bereits Thomas und Kerstin und wir sicherten uns erst einmal vernünftige Sitzplätze im A319 von Germanwings. Innerhalb der nächsten Stunde trafen dann auch noch Oliver mit Simone sowie Marko, Uta, Matthias und Falk ein - unsere Gruppe war komplett.
Nach ausgiebigem Sicherheitscheck (mich traf es wieder einmal besonders hart und ich mußte dem Beamten erst einmal erklären, das man bei meinen Spiegelreflexkameras kein Vorschaubild hat...) ging es in den bereitstehenden "
Bearbus" (böse Zungen behaupten, wir hätten extra für uns diesen Werbevogel bestellt...was natürlich stimmt)
Und dann ging es los - einige behaupten, es wäre ein unruhiger Flug gewesen...mir hat es wieder mal gefallen und es ist einfach nur Klasse, innerhalb von 75min in Stockholm zu sein, wofür man mit PKW eben einfach 10h braucht. Bereits auf dem Flug konnten wir die weltberühmten Schärengärten von oben sehen - genu dort war unser Quartier, mittendrin in dieser Herrlichkeit aus Inseln, unberührter Natur, Küste und niedlichen Städten.
Eine erste Herausforderung war dann das Anmieten der Autos. Eigentlich kein Problem, solange man nicht seinen alten DDR-Führerschein hinlegt und es aus dem Hintergrund ruft "...this is not a driving license...". Matthias verursachte mit diesem Joke erst einmal einen Schockmoment bei mir, als ich das Gesicht der Dame hinter dem Tresen sah. Aber es klärte sich...wir hatten unsere Fahrzeuge. Einen Toyota-Bus für maximal 8 Mann und einen großen Volvo für 4. Auf den hatte ich mich ja nun schon die ganze Zeit gefreut und habe ihn auch bis auf einen kurzen Moment der Schwäche auch nicht wieder hergegeben.
Und dann ging es los - uns erwarteten 320km Transfer gen Süden nach Västervik, was sich bei Tempo 110 bzw. 90 zu einer elend langen Übung hinzog. Passend zum geschafften Finaleinzug flaggten wir die Autos noch in Schwarz-Rot-Gold und ernteten im Stau doch einige ungläubige Blicke. Ablenkung bekamen wir neben der grandiosen Landschaft auch noch durch die Liveberichterstattung des zweiten Halbfinales, welches wir im schwedischen Radio verfolgten.
Erstes Eisenbahnhighlight (wobei es eigentlich traurig anzusehen ist), war ein Abstecher zu einem Schrotthändler in Norrköping, auf dessen Anschlußgleis der alte X6-Triebwagen von Jürgen Boldt steht und einer ungewissen (?) Zukunft entgegen sieht. Nach der Erdrutschkatastrophe Ende 2006 wurde der Zug irgendwann gewaltsam geborgen, rollfähig gemacht und zusammen mit dem letzten "Paprikatog" dort abgestellt. Hoffen wir das Beste für ihn, im Moment sieht er noch recht vernünftig aus.
Telefonisch wurde dann schon mal der Grill vorgebucht, Steffen war nämlich nach deutlich über 1000km vor uns am Ziel. Irgendwann gegen 23.00 gab es dann die ersten Wüste und die letzten Zipfel kauten wir kurz vor 01.00 Uhr am nächsten früh. Bereits an diesem ersten Abend zeigte sich Schweden von seiner leckeren Seite; die Dämmerung zu Mittsommer ist gigantisch, es wird nicht wirklich dunkel und bei lauem Seewind und Wellengeplätcher saßen wir nur 5m vom Wasser entfernt auf einer der beiden Terrassen und genossen den Abend bei Bier, Wodka und Sekt.
Einige Mützen Schlaf später machte ich dann um 7.00 Uhr schon wieder die ersten Bilder der Gegend unter strahlend blauem Himmel - heute ging es nach Nässjö zum dortigen Eisenbahnmuseum. Yves und Oliver hatten für frische Brötchen gesorgt und mit wenig Luft im Bauch starteten wir zum ca. 130km entfernten Museum. Unterwegs durchquerten wir auch Vimmerby, wo Astrid Lindgren viele Jahre lebte und wo es für Kinder einen riesigen (und empfehlenswerten) Freizeitpark gibt.
In Nässjö erwartete uns dann eine Sammlung historischer Bahnutensilien und ein abgestellter Sonderzug.In Schweden ist das ähnlich wie in Deutschland, örtliche Vereine halten historisches Material vor und fahren damit durchs Land. Der Museumszug Nässjö war aber etwas ganz besonderes; die Schnellzugwagen der 1. Klasse waren noch mit super-bequemen Einzelsitzen ausgerüstet, im Bistrowagen gab es kleine Sitzecken und als Highlight führen die Jungs sogar einen Kinowagen mit Schrägbestuhlung mit. Zuglok ist eine Ra (Rapid), die allerdings nicht im Museumsgelände, sondern im entfernten Bw-Ringlokschuppen stand. Unser Museumsguide war dann so freundlich, gegen eine Mitnahme im Auto uns dort die Türen zu öffnen und so kamen wir dann auch noch in den Genuß, diese seltene und mit einer NoHAB vergleichbaren Lok zu sehen.
Genüsse ganz anderer Art ereilten uns dann später, als wir zur besseren Übersicht die Seiten wechselten und das Bw von einer kleinen Anhöhe betrachteten; eine frühere dänische "MZ", jetzt als "TMZ 1406" bei "Vida" eingestellt. Diese bei NoHAB gebaute Lok wummerte im Standgas herum und der GM-Motor erzeugte mächtig Schalldruck im Bass-Bereich. Später rangierte sie dann ihre ältere Schwester "MY 1150" - eine "echte Rundnase" - in den Schuppen. Neben weiteren abgestellten TMZ gesellte sich später dann auch noch eine STENA "TMZ 1419" laut wummernd dem schaulustigen Publikum vor die Optiken - Ohrenschmauß vom Feinsten.
Danach gab es einen operativen Stellungswechsel und wir wagten uns näher ans Gleis. Und dann machte Nässjö genau das, wovon wir vorher gehört hatten: Züge im 5min-Takt fuhren uns vor die Linsen, vom superschnellen X2000 aus Stockholm bis vom Nebenbahntriebwagen nach Hultsfred, vom T44-bespannten Containerzug bis hin zum Gemischtwarenladenmit Rc2 fuhr uns alles vor die Flinte, was Schwedens Schienen zu bieten hatten.
Absoluter Höhepunkt war dann die Einfahrt einer Gleisbaulok vom Typ
DLL 3100, die ursprünglich für den schweren Schneepflugdienst entworfen wurde und sich auf dem Gleis drehen kann. Die Lok ist akustisch der absolute Hammer, man denkt neben einem Kutter zu stehen. Hier mal ein paar Fremdimpressionen von Youtube:
Drehen der Lok
Durchfahrt
Der Sound - ansatzweise
Leider hatten wir nur 60min Zeit, denn ein Teil der Mannschaft wollte noch schlappe 160km nach Linköping fahren, um einen Freund von Matthias zu besuchen, der einen große N-Anlage nach deutschem Vorbild betreibt. So hies es dann gegen 16.00 Uhr Aufbruch - die Frauen und der größte Teil der Mannschaft fuhr zurück zum Quartier und die "Verrückten" 160km entlang der Ostküste des Vätternsee hoch nach Linköping.
Dort angekommen, wurden wir von einer riesigen Kelleranlage auf mehreren Etagen überrascht. Das Szenario einer Mittelgebirgslandschaft an der früheren Deutsch-Deutschen Grenze könnte auf jeder Modellbahnanlage Platz finden. Anders erklärte auf meine Frage nach den Laufmetern Gleis: "...keine Ahnung, bei 350 Weichen habe ich aufgehört zu zählen...". Die Anlage ist für max. 5 "Mitspieler" ausgelegt und erstreckt sich in zwei Kellerräumen auf geschätzten 50m². Gefahren wird Digital nach NMRA-DCC mit Intellibox und es gibt tatsächlich nur deutsches Rollmaterial. Dies begründet er mit dem Fehlen eines passenden schwedischen Modellangebotes...schwedische Jungs scheinen andere Hobbys zu haben.
Anders und Kjell gaben uns für die 100km Rückfahrt dann noch einen Tip zum Besuch eines alten Bahnhöfes in Överum, was sich auch gelohnt hat. Mitten in der Pampa am Rande einer Stadt gelegen und von einem Holzhändler bewirtschaftet, liegt dieses Einod schwedischen Nebenbahnwesens. Leider dauerte es bis zum nächsten Zug noch länger und wir hätten den Ladenschluß um 22.00 Uhr verpasst...jaja...richtig gelesen, geöffnet an ALLEN Tagen von 7.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Da macht Einkaufen Spaß, ehrlich! Diesmal sollte es ein Steak sein - ein Flinta - typisch schwedisch. Die kleinen Steaks bringen es auf 450g, Matthias und ich entschieden uns für die 1200g-Version. Dazu dann noch frische Knoblauchbutter mit Knoblauch aus Matthias seinem Garten - es war ein Festmahl. Und der Abend dauerte dann auch wieder bis 2.00 Uhr, selbst leichter Nieselregen brachte uns nicht dazu, die unüberdachte Terrasse zu verlassen. Ein schwedische Sprichwort sagt: Wo Regen ist, ist auch Sonne!
Und genau so kam es auch - am wohl wichtigsten Tag unserer Reise (Samstag) schien bereits früh die Sonne vom blauen Himmel, einige weiße Schäfchenwolken machten das Idyll perfekt - das Wetter verspach Postkartenmotive ohne Ende. Nichts wie los, um 7.40 Uhr startete unser Charterzug von Västervik nach Hultsfred auf der HWJ-Museumsbahn. Diese Museumsbahn steht unter Denkmalschutz und war Schwedens erste Museumsbahn überhaupt. Sie läuft auf 891mm Spurweite und ist mit 71km länger als alle anderen derartigen Bahnen in Skandinavien. Es wäre jetzt an dieser Stelle mühsig, jeden Fotohalt zu beschreiben.Soviel sei gesagt - unser Personal mit Jacob und Magnus taten uns jeden Gefallen und rangierten den Zug teilweise um gerade einmal 20cm hin und her, bis die Sonne optimal stand. Jacob (der Tf) meinte einmal lachend zu mir:
"...you are so crazy german guys..."
140km und 8h später waren wir wieder am Ausgangspunkt, ziemlich fertig auf den Röhren aber mit Chips voller Traummotive. Im Anschluß ging es dann noch in die Lokwerkstatt und man konnte auch die betriebsfähigen Dampfloks bewundern. Magnus war sehr überrascht, als wir ihm vom Dampflokwerk Meiningen berichteten, das kennt man in Schweden offenbar überhaupt nicht. Die Jungs dort machen das alles in schwerer Handarbeit selber.
Die Ergebnisse sind aber top!
Wie es sich für einen schwedischen Samstagabend gehört, grillten wir nun zum dritten Mal, wobei wir mit Kjell und Anika noch zwei Bekannte von Matthias dabei hatten. Kjell fotografiert seit den 60er-Jahren Eisenbahnen (Güterwagen) und hat selbst ca. 40.000 Bilder. Einige davon hatte er zum Verkauf mit und "man" deckte sich ordentlich mit Material ein...
Als es dann Abends nicht wirklich dunkel wurde, zückten wir nochmals die Technik und gingen mit Stativen auf Motivsuche - Dämmerung über den Schären, ein Traum von Motiv und Herausforderung für die Technik.
Der Sonntag ist schnell erzählt. Zeitiges Wecken, Haus putzen und Abfahrt um 10.00 Uhr in Richtung Flughafen Stockholm, Steffen war 15min früher in Richtung Fähre aufgebrochen. 14.30 Uhr Abgabe der Autos (nach immerhin 1100km), Transfer zum Terminal und Einchecken. Danach noch ein Abschieds-Krabbenbrot oder alternativ Kötbollar's auf Rote Beete - das Abschiedsbier zu 6,50€/0,5l haben wir uns dann aber doch verkniffen. Der Pilot erwartete uns mit Schwarz-Rot-Goldenem Halsbehang und nach der Landung in Berlin kam noch eine Flagge außen am Pilotenfenster hinzu.
Im Terminal waren wir dann 18.15 und unsere Wege trennten sich sehr schnell. Dank der Transferfahrt von Sven aus Hainichen waren wir nach nur 90min schon bei mir daheim, von hier startete dann Yves nach Hause und Jan fuhr mit Sven über Nürnberg weiter bis München und war gegen 1.30 auch daheim.Die Anderen fuhren per Bahn oder Auto nach Hause...die schnelle Abreise half nichts, Deutschland verlor trotzdem. Steffen erreichte um 17.00 pünktlich die Fähre in Trelleborg und war 2.00 Uhr und nach 2712km in Dresden - ihm hier nochmals Danke für die Bereitschaft, unsere Lebensmittel und Ausrüstung per Auto in den Norden zu fahren.
Das war sie - die Geschichte der 2. Reise des TT-Boards nach Schweden. Folgen wir der Tradition, werden wir 2010 eine 3. Reise machen. Das Ziel steht noch nicht 100% fest, die Bandbreite reicht aber von Skandinavien bis zur Türkei, wo wir individuell mit einem dampfbespannten Charterzug reisen könnten. Lasst uns die geschätzten 5000 Bilder erst einmal sichten und alle Eindrücke verarbeiten. Aber nach der Reise ist vor der Reise und es wird nicht lange dauern und es gibt hier einen Thread:
3. TT-Board-Reise
In diesem Sinne
Hejdå och tackar de har rest med oss
PS: Bilder...ja, da kommen noch einige hier zum Vorschein. Gebt uns einfach noch ein paar Tage Zeit, ich z.B. bin noch totmüde...