Nach ein paar Tagen in Granville brachen wir zu unserer nächsten Etappe in Richtung Le Havre auf.
Seit dem 1. Juli gilt in Frankreich ein neues Tempolimit auf Landstraßen. Statt wie bisher 90 km/h, darf man nun nur noch 80 km/h fahren. Wird man mit 20 km/h drüber erwischt, kostet das in Frankreich mindestens EUR 135. Ich war erstaunt, wie entspannt die französischen Autofahrer in der Provinz sind. Alle hielten sich an das Tempolimit, es gab auch reichlich stationäre Blitzer. In Frankreich wird man von hinten geblitzt. Also den Tempomat eingestellt und "Mr. Sulu" hatte das Kommando. Viele Ortsdurchfahrten, viele Kreisverkehre. Es ging durch eine wunderschöne Landschaft.
Eine erste Pause legten wir in Coutances ein. Wir besichtigten die Kathedrale Notre-Dame de Coutances. Gleich neben unserem Parkplatz lag der
Bahnhof. Was für ein Zufall.
Ein modernes
Empfangsgebäude, mit großzügigen kostenlosen Parkplätzen und einem Busbahnhof daneben. Auch hier wieder eine geöffnete Fahrkartenausgabe, ein Wartesaal mit Getränke- und Snackautomaten. Alles sauber, gepflegt und ohne Grafitti.
Der Bahnhof an der eingleisigen Strecke von Folligny nach Lison liegt in einem großen Bogen. 3 Bahnsteiggleise gibt es und die "Bahnmeisterei" ist hier auch stationiert. X 76619 wartet auf seinen nächsten Einsatz. Es ist die dieselelektrische Variante des AGC (Autorail à grande capacité). Diese Züge gibt es auch als reine Elektroversion ZGC, Hybridversion (Diesel und 1500 V) als BGC und Hybridversion (Diesel, 1500 V und 25 kV 50 Hz) als BBGC/BiBi.
Auf dem Stumpfgleis 3 wartete der dreiteilige Dieseltriebwagen X 72631 auf seinen nächsten Dienst. Die Serie X 72500 wurde von 1997 - 2002 bei Alsthom gebaut. Es gibt sie als zwei- oder dreiteilige Züge. Ab März 1999 wurden sie auch zwischen Paris und Granville eingesetzt. Erhebliche Geräuschemissionen im Leerlauf führten zum Spitznamen "Staubsauger". Wegen Problemen mit den Frontklappen wude die Höchstgeschwindigkeit ab dem Jahr 2010 von ursprünglich 160 km/h auf 120 km/h reduziert.
Auf den Gelände der "Bahnmeisterei" lagen große Stapel ausgebauter und maroder Holzschwellen. Den "Schotter" würde ich höchstens als Gleiskies bezeichnen. Reinen Betonschwellenoberbau habe ich auf den Nebenstrecken nicht entdeckt.
Diese Oberbauart habe ich auch schon anderswo gesehen. Allerdings nicht in dieser Ausführung.
Im Nebengleis wieder der französische Stuhlschienenoberbau. Schön zu erkennen die Keile aus gebogenem Blech. Das die Lasche am schwebenden Schienenstoß auch die Unterseite der Doppelkopfschiene umfasst, habe ich so auch noch nicht gesehen.
Bahnhofskopf in Richtung Lison. Eine Signalbrücke überspannt drei Gleise. Wer es noch nicht mitbekommen hat. In Frankreich besteht Linksverkehr. Also stehen (bzw. hängen) auch die Signale links vom Gleis. Krokodile liegen im Gleis in Höhe der Signale. Auch hier ist eine Ausfahrt von den Nebengleisen (ganz rechts, hinter dem Pfeiler) auf Signal möglich.
Eine Pause legten wir in Houlgate ein. Hier verläuft die Strecke Trouville-Deauville - Dives-Cabourg direkt zwischen der Küstenstraße und dem Strand auf dem Deich. Die App der SNCF zeigte einen Zug in 20 Minuten an. Ich entschied mich also für eine etwas längere Pause.
Der dreiteilige X 76 528 übernahm an diesem Tag den Verkehr auf der Strecke. Auf der gut 25 km langen Strecke gibt es keine
Weiche und keine Ausweichmöglichkeiten mehr. Etliche Bahnhöfe sind stlillgelegt und zurückgebaut. In Dives-Cabourg endet die Strecke stumpf am Haltepunkt am Prellbock. Nur eine einzige Zuggarnitur ist auf der heutigen Stichstrecke unterwegs.
Die Strecke wude vor einigen Jahren "modernisiert". Der alte Stuhlschienenoberbau (Reste davon fand ich noch am Böschungsfuß) wurde gegen Breitfußschienenoberbau ausgewechselt. Heute herrschen dort immer noch Holzschwellenoberbau und geschraubte 15 m-Schienen vor. Nach deutschen Verhältnissen eher "Steinzeit".
Eine Statistik aus dem Jahr 2015 geht von 50.000 Fahrgästen pro Jahr auf dieser Strecke aus. Davon jeweils 20.000 in den Urlaubsmonaten Juli und August. Die restlichen 10.000 Fahrgäste verteilen sich über den Rest des Jahres. Offenbar herrscht dort wirklich nur Andrang in der Haupturlaubszeit. Es gab früher auf dieser Strecke sogar durchgehende Züge von und nach Paris.
Mathias