Ich hatte es ja versprochen: Das nächste Modell ist wieder was "Hübscheres".
Bastelei Nummer 20: Stehwagen vierter Klasse, Typ Di Sa 96
Geschichte:
(Angaben beziehen sich auf meinen aktuellen Wissensstand - Korrekturen willkommen! Diesmal keine Fantasie dabei.)
Die Bezeichnung verrät es schon - es handelt sich um einen Sächsischen
Personenwagen vierter Klasse, gebaut ab 1896.
Die vierte Klasse war in Sachsen eigentlich eher unüblich, man begnügte sich gerne mit derer dreien. Mitunter wurden aber aus militärstrategischen Erwägungen aber auch
Wagen der "grauen Klasse" gebaut. Sie waren im Wesentlichen auf den Wunsch ausgerichtet, mal
einen Krieg
nicht zu verlieren - inzwischen wissen wir, dass dieser fromme Wunsch sich nie erfüllen sollte. Diverse
Fakultativwagen genannte Halbgüterwagen, die auch zur Personenbeförderung taugten, sollten schnelle Truppenverlegungen und Materialtransporte ermöglichen.
Der hier vorgestellte
Stehwagen hingegen war zum Verwundetentransport gedacht. Die abgeschrägten Bühnengeländer sowie die großen doppelflügeligen Türen sollten das Verladen von Tragen und Betten erleichtern. Die Übergangsmöglichkeit zu Nachbarwagen erleichterte die Versorgung der Insassen, sollte es zu einem Lazarett-Einsatz kommen. Übergangsbühnen waren zu dieser Zeit bereits kein Novum mehr, aber dennoch wurden weiterhin sehr viele Abteilwagen gebaut. Bemerkenswert ist die nur
einseitige Bremse - wohl ausreichend für den leichten Inhalt und auf kompromisslose Sparsamkeit ausgelegt.
Zur Innenausstattung im regulären Einsatz habe ich nichts herausgefunden, aber da die Kapazität am Langträger mit
60 Stehplätzen angegeben wird und kein Abort und kein Abzug eines Ofens erkennbar sind dürfte der Wagen kaum etwas geboten haben. Das Dach bietet lediglich zwei Entlüftungen Platz - vermutlich für Öllampen, denn Gasleitungen oder ein Gaskessel sind auch am Vorbild nicht zu finden. In der grauen Kiste dürfte es also selbst tagsüber eher duster gewesen sein, nachts je nach Betrachtungswinkel und Füllstand irgendwas von romantisch bis unheimlich.
Ergebnis:
Das Vorbild:
Der Wagen steht im Heizhaus in Dresden. Er wurde museal aufgearbeitet, aber es besteht Anlass, in vielen kleinen Details an der historischen Korrektheit zu zweifeln. Insbesondere die genutzten Schriftarten, die Verwendung römischer Ziffern zur Klassenbezeichnung sowie das überaus farbenfrohe "sächsische Wappen" decken sich nicht mit meinen Recherchen zur entsprechenden Zeit. Bilder sind von mir.
Der Bau:
Es handelt sich um einen Bausatz von Beckert Modellbau, Art-Nr. TT-23026 auf
http://www.beckert-modellbau.de/html/tt_modelle.html
Der Bausatz weicht in ein paar Details vom Dresdner Vorbild ab: Die Griffe am Dachaufstieg sind an der ungebremsten Seite anders ausgeführt und die beigelegten Decals sind gelb
ohne Schattierung, mit einer
güterwagenähnlichen Krone statt dem bunten Aufkleber am Original (womöglich liegt das Modell hier richtiger). Die Wagennummer weicht auch knapp ab - es wird aber auch nie behauptet,
genau diesen Wagen nachzubilden.
Die Unterschiede habe ich größtenteils so belassen und mir einige weitere Freiheiten genommen: Statt der gelben Krone gab es ein schönes geätztes Wappen, ebenfalls von Beckert - sieht einfach viel schicker aus! Das Dach habe ich in einem dunklen Sandton lackiert, so als sei es recht frisch abgestreut worden - was m.E. gut zu dem Gesamteindruck eines diesmal recht neuen Wagens passt.
Was sofort positiv auffällt: Der Bausatz kommt in einer A4-Tüte. Die Platine und alle Einzelteile sind auf einer stabilen Pappe fein säuberlich aufgeklebt und beschriftet, man findet sich sofort zurecht. Und es sind auch wirklich
alle benötigten Teile enthalten - außer Farben und meinen Sonderwünschen musste ich kein Material beisteuern. Auch Radsätze und Peho-Kulissen sind drin (ok - Kupplungen nicht). Etliche Blatt Papier zeigen detailliert die Position aller Teile auf der Platine, besonders empfindliche Teile liegen gar mehrfach bei um Reserve zu haben. Die einige Seiten starke Bauanleitung umfasst viele farbige Abbildungen und geht auf manche Schritte sehr detailliert ein. Bei einigen Punkten musste ich aber doch arg nachdenken oder auf Fotos vom Original bzw. bei anderen Modellen spicken gehen.
Zuerst wird die Bodenplatte gefaltet - trivial bis auf die gegossenen
Puffer, die so gar kein Zinn annehmen wollen. Dann werden alle 4 Achshalter einzeln gefaltet und in die Bodenplatte eingelötet. Die Federpakete und Achslager sind herrlich dreidimensional! Hier ist Geduld gefragt, wenngleich das Biegen ganz gut von der Hand geht. Die Bremsbauteile sind der erste Endgegner - zumal man jetzt schon bedenken muss, ob man mit PeHo-Kulisse oder für die Vitrine baut. Zum Schluss wird die Oberseite der Bodenplatte komplett glatt geschliffen. Mit Dremel, diversen Schleifaufsätzen und Stahlbürste ist das eine gut lösbare Aufgabe, aber irgendwie hätte ich mir eine andere Konstruktion gewünscht. Die Bodenplatte wird später mit dem nach unten geschlossenen Wagenkasten verschraubt - das funktioniert gut, aber ein offener Wagenboden hätte hier viel Arbeit erspart.
Der eigentliche Wagenkasten ist ein simples Würfelnetz. Die Türen werden stumpf aufgelötet - Geduld, Holzklammern und Creme für verbrannte Finger mitbringen! Die separaten Türklinken sind ein kleines Highlight. Die Dachstützen, welche bis über die Bühnen ragen, und vor allem die daran angebrachten Laternenhalter haben mir böse Worte entlockt. Hier waren Anleitung und Bebilderung leider nur bedingt hilfreich und ich glaube immer noch nicht, dass ich das so gefaltet habe, wie's vorgesehen war. Dank der doppelt vorhandenen Ätzteile hab ich aber zumindest
eine Lösung.
Die ganzen Kleinteile wie Leiter, Bremsspindel und Co sind vor allem Fleißarbeit - die Bühnengeländer mit ihren sehr feinen Auftritten wollen aber ein ruhiges Händchen.
Das Dach kommt netter Weise schon vorgebogen. Hier werden Dachsparren (Aussteifungen) wieder stumpf eingelötet - Zeit, Holzklammern und 5 mal korrigieren. Dach unbedingt Probe stecken, das muss saugend auf dem Wagenkasten sitzen! Die Lüfter sind einlötbare Gussteile.
Jetzt geht es schon zum Lackieren. Ich habe mich nicht komplett an die Vorgaben gehalten und Fehgrau statt Silbergrau genommen, das erwähnte sandfarbene statt schwarze Dach und habe die Bühnen und Aufstiegstritte gleich holzfarben lackiert und gealtert. Außerdem habe ich mir die Mühe gemacht, die ganzen kleinen Eisenteile sauber schwarz zu lackieren - und die senkrechten Wagenkanten (4 Eckpfosten). Weil ich's schön fand.
Nach allen Farben kamen die Decals - hier hab ich geflucht. Akzeptable, aber nicht überragende Druckschärfe, wie erwähnt fehlende Schattierung und vor allem geringe Klebekraft. Rollten sich immer mal wieder ein und fielen ab, kaum dass man die andere Seite bearbeiten wollte. Viel Mr. Mark Setter hat's gerichtet, danach die Ätzschildchen dran und Klarlack drüber.
Die Fensterbänder mit -rahmen und Lüftungseinsätzen trennt man am besten erst jetzt aus der Platine. Die mitgelieferte Fensterfolie ist schön dünn - gut zugeschnitten war mein größtes Problem, einen Klebstoff zu finden, der auf Fensterrahmen, Wagenkasten und Folie gleichermaßen klebt, ohne entweder die Elita-Farben anzulösen oder die Folie zu trüben. Am Ende wurde es Pattex-Sekundenkleber-Gel in Minimaldosierung per Zahnstocher. (Plastikkleber löst den Lack, Weißleim haftet nicht an ihm.)
Am Fahrwerk werden mittels PeHo-Bohrer die Achslager aufgebohrt. Die Achsen werden etwas kürzer gefeilt und abgerundet, dann heißt es testen - biegen - testen bis das Fahrwerk endlich halbwegs läuft. Hier sei angemerkt, dass ich eine Reihe von Beckert-Wagen als Fertigmodell besitze und diese alle ebenfalls sehr schwer laufen. Irgendwann muss ich mir mal die Mühe machen, deren lager alle nachzubohren und die Achslager zurecht zu biegen. Betriebsbahner kleben außerdem noch die mitgelieferte PeHo-Kulisse ein.
Zum Schluss wird der fertige Wagenkasten mit dem Untergestell verschraubt. Die komplette Dachsektion ist nur gesteckt und dadurch jederzeit entfernbar - das gefällt mir sehr gut! Auf eine Inneneinrichtung und Beleuchtung habe ich wie üblich dennoch verzichtet. Gerade hier wäre mir das zu viel des Guten.
Fazit: Der Bau bietet keine übermäßigen Hürden, erfordert aber viel Fleißarbeit. Ich habe bestimmt 10 bis 15 Stunden gebraucht, verteilt auf zwei Monate. Wer auf Schmerzen steht, wer (wie ich) einige Sonderwünsche hat oder wer nicht lange warten kann, sollte bei dem Bausatz unbedingt zugreifen! Wem das Modell "von der Stange" reicht, der kann überlegen, ob er nicht lieber Überstunden schrubbt und damit Herrn Beckert bezahlt.
Bilder vom Bau (nur das messingfarbene Zeug, der Rest sind andere Projekte):
Damit entstand inzwischen dieser sehr schöne Zug!
Die Zuglok ist Schwenkes VII T, hier bei mir als 1899 Minimi (siehe Thread-Anfang). Alle Wagen außer dem Grauen sind Fertigmodelle von Herr Beckert. Von dem Packwagen habe ich noch einen Bausatz hier herumliegen - ich werde berichten. Eventuelle Nachbestellungen hole ich mir aber wieder als Fertigmodell.
