Die Dieseltraktion bei der DR verbrauchte zur Zugförderung Anfang der 80-er Jahre 20 bis 25 % (nach anderen Quellen bis 35 %) des Dieselkraftstoffes der gesamten Volkswirtschaft der DDR. Das war kein Problem solange das Rohöl zum "Freundschaftspreis" von der Sowjetunion durch die Pipelines floss. Als der große Bruder dann die Ölpreise auf Weltmarktniveau erhöhte hatte die DR ein Problem.
Die Jahrelang dahin dümpelnde Streckenelektrifizierung musste beschleunigt werden. Während im Jahr 1978 nur 31,3 km Strecke elektrifiziert wurden waren es im Jahr 1982 schon 139,4 km.
Hauptsächlich wurden die Arbeiten auf den Nord-Süd-Magistralen zu den Seehäfen Rostock und Wismar forciert.
Am 1. Januar 1980 wurde zur besseren Koordinierung und zur Gewährleistung der weiteren planmäßigen Elektrifizierung der Elektrifizierungs- und Ingenierbaubetrieb Berlin (EIbb) gebildet. Der Eibb war wegen seiner besonderen Bedeutung nach meiner Erfahrung ein wenig Staat im Staate. Er hatte in vielen Dingen die größte Unterstützung der Leitungsorgane. Für den EIbb fand sich immer ein freies Abstellgleis.
Unter der Leitung des EIbb entstanden z.B. die Betonmischzüge und im Leipziger Kirow-Werk die EEK (Eisenbahn-Elektrifizierungskran) Bild 1 der Bauart EEK 300/5. Er verfügte im Gegensatz zum EDK 80 über ein Kurzheck und konnte so auf einer zweigleisigen Strecke beim Schwenken ohne Sperrung des Nachbargleises eingesetzt werden. Dieser Kran ließ sich auch mit dem längeren Ausleger A 2 transportieren.
Neue Technologien, wie das Setzen der Masten mit Hubschraubern der Interflug, kamen zum Einsatz.
Bild 2 Einsatz zweier Mi-8 der INTERFLUG im Bereich des Karower Kreuzes im Sommer 1984. Der zweite ist hinter dem Mast "versteckt".
Der Mastlagerplatz befand sich auf dem für diese Zwecke genutzten Sportplatz in Berlin-Karow. (Foto von U. Langer)
Vor der eigentlichen Elektrifizierung mussten viele Vorarbeiten geleistet werde. Dazu gehörten die Linienverbesserungen mit der Erneuerung des Oberbaus, die Umgestaltung der Bahnhöfe (Weichen mit größerem Halbmesser, Platz für Masten, Schaffung von Behandlungsanlagen für E-Lok) und hauptsächlich die Profilfreimachung.
Viele Brücken mussten im Vorfeld der Elektrifizierung abgerissen werden weil die Durchfahrtshöhe nicht ausreichte.
Während für Strecken mit Dieseltraktion das Lichtraumprofil 1-SM/DR eine Höhe von 4850 mm vorgab waren es für eine Elektrifizierung mit 15 kV mindestens 5450 mm.
Wo es die Fundamente der Brücken zuliessen wurden die Gleise abgesenkt. Der Nachteil dieser einfachen und billigen Methode besteht darin das im abgesenkten Streckenteil eine neue leistungsfähige Entwässerung vorzusehen war.
Eine andere Methode ist die Anhebung des Überbaus. Dabei spielt die konstruktive Durchbildung des Tragwerks eine große Rolle.
Tragwerke aus Stahlbeton sind empfindlicher als stählerne Überbauten. Mehrfeldrige und schwere Brücken ergeben größere Schwierigkeiten. Man muss ja auch an die stärkere Anrampung des überführten Verkehrsweges denken.
Bei Tunneln wird es noch komplizierter. Beim Tunnel bei Edle Krone wurde das Tunnelprofil für die Elektrifizierung unter großem Aufwand erweitert. Der Altenburger Tunnel auf der Strecke Leipzig - Hof wurde wegen seines schlechten Zustandes, der geringen Überdeckung und der bevorstehenden Elektrifizierung bei laufendem Betrieb sogar aufgeschlitzt und abgebrochen.
Eine weiterer Faktor im Zuge der Elektrifizierung ist die Beeinflussung der Signal- und Fernmeldetechnischen Anlagen. Telefon-Freileitungen und Fahrleitung vertragen sich nicht.
Das sogenannte Schutzverlangen der SF-Anlagen ist dabei für alle vorkommenden Betriebs-, Schalt- und Fehlerzustände auf der Traktionsseite zu berücksichtigen.
Ich hoffe es wird jetzt nicht zu "elektrisch".
Man unterscheidet nach:
- kapazitiver Beeinflussung
Durch das elektrische Feld, das die spannungsführende Fahrleitung um sich aufbaut, können durch Influenz im Einflußbereich der Fahrleitungen gegen Erde isoliert liegende Leitungen oder Anlagenteile elektrisch aufgeladen werden.
- induktiver Beeinflussung
Das durch den in der Fahrleitung fließenden Strom aufgebaute Magnetfeld ist mit Leitungen und Anlagen im Bahnbereich verkettet. Dadurch werden Spannungen induziert, die Gefährdungen oder Störungen bewirken können.
- ohmscher Beeinflussung
Leitungen und Anlagen im Bahnbereich sind durch galvanische oder ohmsche Kopplung über das Erdreich oder durch metallische Verbindungen mit Teilen der Fahrschienen (Strombahn) von Einphasenwechselstrombahnen verbunden. Beeinflussender und beeinflusster Stromkreis haben mithin Teile von Strombahnen gemeinsam. Um eine Gefährdung auszuschliessen, wird deshalb im Rißbereich der Oberleitung Bild 3 ein Potentialausgleich durch Einbeziehung aller Metallteile (Geländer, Schutzgitter an Stellwerksfenstern) in die Schutzmaßnahme Bahnerdung hergestellt.
Auch die Beeinflussung durch Oberschwingungen ist nicht zu vernachlässigen.
Auch die Kreuzung der elektrifizierten Bahntrasse mit Hochspannungsleitungen des Landesnetzes hat Auswirkungen durch diverse Beeinflussungen.
Im Berliner Raum kam die elektrische "Unverträglichkeit" der mit Gleichstrom betriebenen S-Bahn hinzu, dazu aber ein gesonderter Beitrag.
Mathias