Ich möchte hier mal noch etwas Wissen zur
Zugbildung der Sanitätszüge in Epoche I beitragen.
Es wurde ja bereits einige sehr gute Literatur verlinkt. Von mir gibt's noch diese Empfehlung dazu:
"
Die Deutschen Sanitätszüge im Kriege gegen Frankreich 1870/71", Herausgegeben von der Militär-Medizinal-Abtheilung des Königlich Preußischen Kriegsministeriums, 1871.
Gab es 1984 als Faksimile im Archiv-Verlag, Braunschweig. Ist antiquarisch problemlos erhältlich.
Aus dieser und weiteren Quellen zusammengefasste Infos:
- Die Züge wurden von jedem Land separat gestellt. Preußen hatte sehr viele, die anderen Länder eher nur 1 bis 2 Züge. Es gab sowohl staatliche als auch privat ausgerüstete Züge, was sich auf die vorhandene Ausstattung auswirkte.
- Die genaue Zusammenstellung variierte häufig, aktuelle Erkenntnisse führten spätestens alle paar Jahre zu einer Änderung in der Zugzusammenstellung.
- Man muss sich für einen konkreten Zug bzw. ein konkretes Land und eine konkrete Zeit entscheiden, wenn man's genau machen will.
- Die Züge fuhren nur(!) im eigenen Hinterland; in Front"nähe" wurden an zentralen Feldlazaretten Verwundete aufgenommen - diese Lazarette lagen stets in sicheren eigenen Gebieten, es gab also keinerlei militärische Gefahr für die Züge
- Die aufgenommenen Verwundeten waren stets bereits erstversorgt und stabil; eine Zugfahrt stellte eine erhebliche körperliche Belastung dar - wer um sein Leben rang wurde nicht verladen, sondern weiter im Feldlazarett versorgt bis er starb oder transportfähig wurde. Die Züge dienten zur zahlenmäßigen Entlastung der Feldlazarette; es ging also darum möglichst viele Leute weg zu bringen die auf absehbare Zeit nicht wieder dienstfähig sein würden. Unterwegs konnte man aber eher eine mäßige Pflege leisten, keine wirkliche medizinische Behandlung.
- Es gab Versuche mit OP-Wagen bzw. OP-Zelten (Sachsen), welche bei Bedarf neben einem Wagen aufgebaut werden konnten um größere Eingriffe durchzuführen. Wie oft das genutzt wurde und wie gut das funktionierte habe ich bislang nicht herausgefunden. Die Sachsen hatten jedenfalls sogar Dampfheizanschlüsse für diese Zelte vorgesehen. Entgegen mancher Gerüchte scheinen mir jegliche OPs während der Fahrt praktisch ausgeschlossen - alleine die Zugbewegungen dürften für mehr Schaden als Nutzen am Patienten gesorgt haben.
Generelle Richtlinien zum Rollmaterial:
- 1 Zuglok
- im 1. WK pr G7.1 als die Massen-Lok schlechthin; die Züge waren auf ihre Zugleistung ausgelegt
- generell eher Güter- als Personenzuglok; man kam eh nicht schnell voran, musste aber viel schleppen; nur Schlepptenderloks aufgrund der größeren Vorräte
- i.d.r. mit Dampfheizung für die Wagen (keine Öfen oder nur für Notfälle)
- alle Wagen Zweiachser; Vierachser hatte nur Württemberg
- 1 Küchenwagen und 1 Küchenvorratswagen
- Küchenwagen teilw. ebenfalls aus 4.-Klasse-Durchgangswagen hergerichtet ("lange" Wagen)
- ansonsten Küchenwagen aus kürzeren Wagen gebaut; dann evtl. noch ein dritter Wagen dazu (Küche auf zwei kurze Zweiachser verteilt statt einem langen Zweiachser)
- Küchenwagen mit Fenster, liebe Tillig ;-) - die haben nicht im Dunkeln gekocht
- Vorräte in einem G-Wagen (bis zu 15t Nahrung!) reichen bei 100 oder 200 Leuten über etliche Wochen. An großen dafür ausgelegten Bahnstationen im Hinterland ("Etappenstationen" der Militär- und Lazarettzüge) gab's bei Bedarf Nachschub. Da braucht man gar nicht sooo viel mitnehmen. Wirklich autark musste man nur sein, wenn man für ein, zwei Wochen frontnah Verwundete aufnahm oder wenn man mal zwei Tage lang in der Pampa herumstand, weil man nicht voran kam. Wasser gibt's auch immer unterwegs, da braucht man allenfalls ein, zwei Tage Vorrat - ansonsten hat man mit der Lok mehr Probleme als mit den Menschen 😉
- die Wagen sollten derselben Bahnverwaltung angehören wie die Personenwagen, Lok etc.
- max 1 Kohlevorratswagen
- Wie beim Wasser: gibt es immer und überall, sonst steht man eh ohne Lok da. Teilweise schien der Brennstoff direkt in den Wagen zu lagern und auf einen extra Vorratswagen wurde ganz verzichtet.
- Es gab nur manchmal Öfen in den Wagen - wenn, dann auch eher als Not-Option. Dampfheizung ist sparsamer, macht weniger Arbeit (die sollten mit sauberen Händen Verwundete versorgen und nicht in der Kohle wühlen!) und ist weniger gefährlich (Feuer).
- Nur die Küche brauchte nennenswert Brennstoff. Der passte ggf. mit in den Küchenvorratswagen.
- i.d.R. kein Packwagen
- Wozu auch? "Zugführer" und Offiziere (teils dieselbe Person) waren in Offizierswagen untergebracht; zu packen gab es nichts; gebremst wurde mit Druckluft.
- Personenwagen in verschiedenen Zwecken
- Nach 1890 waren praktisch alle diese Wagen, mindestens in Preußen und Sachsen, Durchgangswagen 4. Klasse welche ausschließlich zu diesem Zweck beschafft worden waren. Die liefen in Friedenszeiten als 4. Klasse oft im Vorort-Verkehr, waren aber primär auf Forderungen des Militärs hin geschaffen worden. Die 1. bis 3. Klasse kam dafür kaum oder gar nicht in Frage, da die minimalistische Inneneinrichtung der Wagen im Kriegsfall schnell entfernt und durch die eingelagerten Lazaretteinbauten ersetzt werden musste.
- Die Züge waren zumeist sortenrein; d.h. es gab wirklich nur eine oder höchstens zwei Personenwagentypen im Zug; das machte vieles leichter als bunte Mischungen
- Preußen hatte z.B. Di 91 (Digitalzentrale / von @Grischan) und später die Dreiachser (Tillig 16032 etc.)
- Sachsen hatte Wagen der lfd. Nr 183 u.ä. (ehemals MMM-Bausatz), später Di Sa 09 (DNA-Modell) - beide kamen im 1. WK massenhaft zum Einsatz
- Bei früheren Zügen (nur vor 1. WK) kamen teils auch reine G-Wagen zum Einsatz, welche behelfsmäßig umgerüstet wurden.
- Alles andere - bis hin zu O-Wagen mit Strohsäcken drin - wurde in extremen Notlagen natürlich auch mal genutzt, um Verwundete zu transportieren, das fällt aber "Improvisation unter akuter Todesgefahr" und nicht unter "Lazarettzüge". Sowas fuhr mal ausnahmsweise von Frontnähe rückwärts, in der Hoffnung schnellstmöglich bessere Bedingungen zu finden, aber nicht als regulär geplanter Versorgungszug.
- 1 bis 2 Wagen für höheres Begleitpersonal, d.h. militärische Offiziere (oft auch in der Rolle des Zugkommandanten oder Zugführers) sowie Ärzte
- 2 oder mehr Wagen für das niedere Begleitpersonal (Pfleger, Küchenkräfte etc.)
- separater Wagen für weibliches Personal (Schwestern - Küche war eher Männersache) - diese füllten eine wichtige Lücke, da männliches Personal Mangelware war (Kriegsdienst); man hat dennoch wo möglich darauf verzichtet, da weibliches Personal gemäß der Sittlichkeitsvorstellungen einen eigenen Unterkunftswagen benötigte und somit einen Krankenwagen weniger bedeutete
- 1 bis 2 Offizierskrankenwagen mit gehobener Ausstattung (z.B. Einzelbetten statt zwei Liegen übereinander)
- so viele Krankenwagen / Mannschaftskrankenwagen, wie die Lok jetzt noch ziehen konnte. Zur Orientierung: Gesamtzahl 30 bis 40 Wagen. Man hat die Schlepptafeln gnadenlos ausgereizt, jeder Wagen bedeutete immerhin Platz für 6 bis 8 Leute (je nach Zeitalter)
So, und nun baut bitte alle fleißig Lazarettzüge und zeigt eure Ergebnisse!
Ich habe mich aus historischem Interesse zwar damit befasst, hege derzeit aber keine Pläne, einen zu bauen. Zu viele Projekte.
Ergänzung:
@FD851 hat sich ebenfalls mit Lazarett-Zügen beschäftigt. Seine Angaben weichen teilweise ab, daher nutzt die Chance und lest hier:
https://www.tt-board.de/forum/threads/palaver-zu-den-laz-zuegen.53198/#post-1035001