Vorweg: Ich bin Software-Entwickler, kein Anwalt. Ich trage aber seit 20 Jahren zu freien Software-Projekten bei und verdiene seit nunmehr zehn Jahren mein Geld durch Software-Entwicklung auf Basis von Open-Source-Komponenten. Thematisch zumeist im Bereich Frontends für Embedded-Hardware. Kunden vom typischen KMU bis zum Weltkonzern. Regelmäßiger Bestandteil dieser Arbeit ist die Auswahl von Software-Komponenten aufgrund von technischen, aber auch aufgrund rechtlicher Kriterien. Nun, bin ich wie gesagt kein Anwalt und überlasse die Grauzonen daher gerne unserem Firmenanwalt, oder noch lieber den Anwälten der Kunden. Letztendlich sollte ich mittlerweile jedoch in der Lage sein, wesentliche Fallstricke, No-Go-Areas und Grauzonen zu erkennen.
Nun also zur GPL und BiDiB. Warum ist die GPL für BiDiB relevant? Die Umsetzung von BiDiB erfordert immer ein Stück Software. Das ist so gewollt und ist auch gut so, bedeutet aber, dass man sich Gedanken über die Lizensierung der eigenen BiDiB-bezogenen Software Gedanken machen muss. Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, diese Software-Komponenten unter GPL zu veröffentlichen. Zum Beispiel liefert die GPL ein erfolgreich in der Praxis erprobtes Kooperationsmodell für ansonsten konkurrierende Unternehmen. Es gibt genauso viele gute andere Gründe, es nicht zu tun.
Soviel zur Vorrede und da man in diesem Forum gerne vorschnell unlautere Unterstellungen äussert, möchte ich nochmals explizit darauf hinweisen, dass ich keine moralische Wertung der BiDiB-Lizenz vornehme oder vornehmen werde: Jeder ist frei die Bedingungen zu bestimmen unter denen die eigene geistige Arbeit genutzt werden darf und das ist auch gut so. Das einzige worauf ich am Beispiel der GPL hinweisen möchte, ist der Umstand, dass die BiDiB-Lizenz mit Sicherheit gut gemeint ist, aber meiner Erfahrung nach schlecht geeignet ist, die Verbreitung des Protokolls zu fördern.
Hat man sich also entschlossen, Software zu veröffentlichen - als reine Software-Komponente, oder als Teil einer Hardware - muss man zwangsläufig prüfen, ob die gewählt Lizenz zu sämtlichen verwendenten Drittanbieter-Komponenten passt. Ob es dabei um PC-Software, Mobile-Apps oder Firmware geht, spielt keine Rolle: Man verbreitet Software und muss das rechtlich sauber abwickeln. Firmware hat einzig den Vorteil, dass Rechtsverstöße wesentlich schwerer nachzuweisen sind. Im Fall der GPL muss man also prüfen, ob die GPL zu BiDiB passt. Möchte man BiDiB implementieren, kommt man nicht umhin, die standardisierten BiDiB-Nachrichten exakt standardkonform zu implementieren. Die verbale Protokoll-Beschreibung auf bidib.org ist für dieses Vorhaben nicht ausreichend: Der Text ist für eine (wie durch BiDiB) gefordert!) zu 100%-interoperable Implementierung zu unpräzise und offenbart bereits beim ersten Überfliegen offenkundige Flüchtigkeitsfehler. Um einen Überblick über das Protokoll zu erlangen, Ideen, Konzepte, Motivationen zu verstehen sind die Dokumente Gold wert - vielen Dank für die Bereitstellung! - um BiDiB zu implementieren, kommt man aber nicht umhin, die von der BiDiB-Arbeitsgruppe gepflegte Datei
bidib_messages.h zu verwenden.
Mit der Datei bidib_messages.h sind wir nun aber ganz klar im Bereich der Software-Lizenzen und müssen daher abklären, ob diese Datei in GPL-basierter Software verwendet werden darf. Der
vollständige Text der GPL beschreibt umfassend und exakt die Distributionsbedingungen für GPL-basierte Software. Für einen ersten Überblick genügt die
Kurzanleitung zur GPL. Die Lizensierungsbedingungen von BiDiB leiten sich aus dem Absatz
1.3 Rechtliches, Lizenz der BiDiB-Protokoll-Beschreibung (ein dauerhafter Link wäre hilfreich!) und den
Zugangsbedingungen zur BiBiB-Implement-Gruppe ab.
GPL-Software wird mitsamt Quellcode verteilt, die als erstes zu klärende Frage ist somit, ob bidib_messages.h als Teil eines GPL-Quellcodes verteilt werden darf. Der Header von bidib_messages.h besagt:
// Common Header for BiDiB Implementations / Reference
// (c)
http://www.bidib.org
// (see
www.bidib.org for licence terms)
Ich soll also auf bidib.org nach den Lizenzbedingungen suchen. Das ist so schon mal nicht zulässig: Webseiten können sich ändern, können offline gehen. Es ist also überhaupt nicht möglich, rechtssicher nachzuweisen, welche Lizenzbedingungen zum Zeitpunkt der Kopieerstellung galten. Des weitern sind auf bidib.org weder Software-Lizenzbedingungen noch eine Kopie der Datei bidib_messages.h zu finden. Einziger Zugang zu der Datei ist offenbar die BiBiB-Implement-Gruppe und deren zugangsgeschütztes Git-Repository. Die
veröffentlichten Zugangsbestimmungen zur Mailing-Liste und zum Git-Repository schreiben vor, dass man ein berechtigtes Interesse nachweisen, eigentlich sogar einer Firma angehören muss, um Zugang zu erhalten. Ist "ich will da mal kurz rumbasteln und ausprobieren" bereits ein berechtigtes Interesse im Sinne des Arbeitskreises? Ob der Zugang diskriminierungsfrei ist, sollen Anwälte ausdiskutieren. Offenkundig aber ist der Zugang zu dieser Datei explizit beschränkt. Auch das Urheberrecht schreibt vor, dass das Kopieren von Dateien ohne explizite Erlaubnis des Rechteinhabers definitiv verboten ist. Eine explizite Erlaubnis zum Kopieren der Datei ist für den Außenstehenden nicht nachweisbar. Somit ist leider davon auszugehen, dass diese Datei zu Unrecht verteilt wird, platt gesprochen eine Raubkopie vorliegt.
Ein weiteres wichtiges durch die GPL gewährtes Recht, ist das Recht auf Veränderung der unter GPL verbreiteten Dateien
und sämtlicher beiliegenden fremdlizenzierten Dateien nach freiem Gutdünken, nach Lust und Laune. Das Urheberrecht verbietet dies ausdrücklich, so denn keine expliziete Erlaubnis vorliegt. Die Protokoll-Lizenz zu BiDiB verbietet explizit Abwandlungen des Protokolls. Mangels eigener Software-Lizenz ist davon auszugehen, dass das Verbot sich auch auf bidib_messages.h erstreckt. Somit ist das Verteilen von bidib_messages.h mitsamt GPL-lizensierter Software auch aus diesem Grund definitiv verboten.
Das Recht zur uneingeschränkte, beliebigen Modifikation der Software einzuräumen ist
das zentrale Anliegen der GPL, der Grund weshalb sie geschrieben wurde. Die GPL verbietet deutlich und explizit jede Einschränkung dieses als Grundrecht begriffenen Anliegens für GPL-lizenzierte Software und ihre Fremdbestandteile. Die BiDiB-Lizenz hingegen verbietet explizit die freihändige unkoordinierte Implementierung von zusätzlichen BiDiB-basierten Funktionen. Dies ist ein fundamental Grundsatzkonflikt, der im Streitfall sogar zum globalen Verlust der BiDiB-Lizenz führen kann. Hier prallen schlichtweg Welten aufeinander.
Die GPL verbietet explizit sogenannte "Advertisement clauses". GPL-lizensierte Software darf also nicht mit der Verpflichtung versehen werden, dass man Verwendung einer bestimmten Technologie explizit bewerben muss. Die BiDiB-Lizenz hingegen verlangt explizit, dass ich die Verwendung in Dokumentation und auf der Hardware deutlich kennzeichne, bewerbe. Die Regeln zur Verwendung der Bezeichnung/Marke BiDiB widersprechen auch in einem weiteren Punkt der GPL: Die GPL schreibt explizit vor, dass abweichende Implementierungen unter separatem Namen vertrieben werden. BiDiB schreibt vor, dass ich den Namen beibehalten muss. Was ist aber, wenn BiDiB nur eine Teilfunktionalität ist, meine EIA-485-Buchse aber auch als DMX-Ausgang genutzt werden kann (vollkommen willkürliches Beispiel!). Hier bin
ich ganz klar an einem Punkt angekommen, wo ich nur noch raten kann, einen Anwalt zu konsultieren. Mir ist das alles zu unscharf, zu wiedersprüchlich, zu unsicher. Meine Rechtskenntnis verlässt mich an diesem Punkt.
Zusammenfassend lässt sich nur sagen:
GPL und BiDiB gehen momentan nicht zusammen. Das ist ein Problem, wenn man BiDiB etablieren möchte, denn in der Vergangenheit haben freie Software-Lizenzen wie GPL und BSD/MIT sich als hervorragendes Vehikel zur Etablierung von Standards erwiesen. Protokolle, die nicht via GPL-Software implementierbar waren, fällt es seit Dekaden schwer sich zusetzen. Vor diesem Hintergrund sollte man Kompatibilität zur GPL auch nicht als moralisches Gedankenspiel sehen - das ist schlicht Unfug. Vielmehr ist GPL-Kompatibilität ein hervorragender Lackmustest zur Überprüfung, ob ein offener Standard vorliegt.
Einige Probleme ließen sich problemlos abstellen, z.B. indem man bidib_messages.h direkt auf bidib.org veröffentlicht und sicherstellt, dass der Datei im Header oder im Dateiarchiv die aktuell gültigen Lizenzbedingungen beiliegen. Andere Probleme, z.B. die Logo-Verwendung lassen sich lösen, indem man wie allgemein üblich Urheberrecht (greift für technische Implementierung) und Markenrecht sauber trennt: Wer kein ordentliches BiDiB implementiert, darf es schlichtweg nicht so nennen. Fertig. Falsch. Denn gerade das Unterbinden von Variationen ist ja zentrales Anliegen der BiDiB-Lizenz und an dieser Stelle kollidieren GPL und BiDiB fundamental. Dieses fundamentale Problem lässt sich auch nur durch Anpassung der BiDiB-Lizenz beheben. Wie man das konkret machen kann, ohne das zentrale und wichtige Ziel der Kompatibilität aus dem Auge zu verlieren, kann ich nicht beantworten: Ich bin Softwareentwickler, kein Anwalt. Die preiswerteste Lösung wäre, sich Rat bei der FSFE zu holen, denn die Verbreitung offener Standards ist eines Ihrer Anliegen.
So, genug geschrieben. Liest sich eh keiner durch.