Allgemeines zur Saugzuganlage
Die Dampflokomotive klassischer Stephensonscher Bauart nutzt den Abdampf der Dampfmaschinen zur Feueranfachung. Dazu werden die Auströmrohre vereinigt ("Hosenrohr" oder "Hosenstück") und münden in eine Blasrohrdüse (Ejektor), die von unten mehr oder weniger hoch in die Rauchkammer ragt. Der dadurch definierte Abdampfstrahl füllt den darüber befindlichen Schornstein möglichst gut aus. Die Energie des Abdampfstrahles erzeugt den Rauchkammer-Unterdruck, der durch die Rauchrohre (enthalten die Überhitzerelemente) und die Heizrohre (österreichisch Siederohre) den Saugzug für die Feueranfachung bewirkt. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass eine angestrengte Maschinenarbeit auch eine gute Feueranfachung bewirkt. Insofern ist die Dampflokomotive selbstregulierend und es muss diesbezüglich nicht seitens des Lokpersonals eingegriffen werden.
Die Wirtschaftlichkeit der Dampflok wird dadurch gemindert, dass der Dampf den Dampfzylinder mit einem größeren Druck verlässt, als rein mechanisch erforderlich, um die notwendige Saugzugarbeit verrichten zu können. Gemäß der Gestaltung der Saugzuganlage werden durch die Blasrohrenergie drei Arbeitsfelder bedient:
* Überwinden des Stoßverlustes (Auftreffen des Abdampfes auf das langsamer strömende Rauchgas, Energie zum Vermischen von Abdampf und Rauchgas)
* Pumpleistung (Hinausschaffen der Rauchgase aus Rauchkammer)
* Austrittsenergie (Ausstoß von Abdampf und Rauchgas – verbleibende Energie des Abdampf-Rauchgas-Gemisches – zeigt sich in der Ausprägung der "Dampffahne", also das Vermögen, den Abdampf noch signifikant von Lok/Zug/Führerstand wegzubefördern, um keine Störung/Belästigung/Gefährdung von Lokpersonal, Reisenden und Fracht zu riskieren). Es handelt sich bei der Saugzuganlage um eine Strahlpumpe, die entsprechend der Wertebereiche von Druck und Temperatur der beiden gasförmigen Medien einerseits vergleichsweise große Abmaße besitzt und andererseits ein festes Verhältnis der Düsen aufweist - im Gegensatz bspw. zur der Kesselspeisung dienenden Dampfstrahlpumpe ("Injektor"), die eingestellt werden kann. Die Regelsaugzuganlage der DR(G) erreichte einen Wirkungsgrad (Verhältnis von Blasrohrenergie zu Pumparbeit) von etwa 10 bis 12 Prozent, so Untersuchungen des Österreichers Adolph Giesl-Gieslingen im Jahr 1929.
Forschungen von Giesl-Gieslingen
Giesl-Gieslingen sah in der Verbesserung der Saugzuganlagen ein großes Potential und publizierte bereits 1924 im Alter von 20 Jahren dazu erste Gedanken! Er zog aus Untersuchungen von Dr. Ing. F. C. Huygen, Delft, Holland (Experimentelle Untersuchung von Lokomotivschornsteinen, 1924) eigene Schlussfolgerungen, die sich stark vereinfacht wie folgt zusammenfassen lassen: Es haben sich im Zeitraum um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Bezug auf Lokomotivgrößen und -leistungen brauchbare und leistungsfähige Saugzuganlagen herausgebildet. Jedoch war es nicht mehr möglich, die gefundenen Proportionen (im wesentlichen durch die Maße Blasrohrquerschnitt, kleinster Schornsteinquerschnitt, Abstand Blasrohroberkante - Schornsteinunterkante sowie Schornsteinhöhe) bei den späteren Konstruktionen beizubehalten, da die Kessel im Durchmesser immer größer wurden und immer höher wanderten, so dass sich die idealen Düsenverhältnisse nicht mehr baulich unterbringen ließen - dem stand und steht das seit Beginn des Eisenbahnzeitalters nahezu unveränderte Lichtraumprofil entgegen. Die Lösung war darin zu finden, dass die Strömungslehre erklärt, dass ein Aggregat durch n ähnliche Aggregate reduzierter Länge bzw. Höhe, nämlich hn = h * [1-1/Wurzel(n)], bei gleicher Gesamtleistungsfähigkeit ersetzt werden kann. So ergeben sich Bauhöheneinsparungen von 29 % für eine Doppel-, 50 % für eine Vierfach- und 62 % für eine Siebenfach-Saugzuganlage.
Die erste Blasrohranlage nach seinen Forschungen, die die bei später auch den Lokomotiven der DR angewandte Gestaltung aufwies, kam im Mai 1949 auf der Lok Nr. 191 der Chesapeake & Ohio Railway zum Einsatz. Diese wies einen auf 40 Prozent gesteigerten Wirkungsgrad auf. Der Blasrohrkopf besteht aus 7 hintereinanderliegenden Blasrohrdüsen, deren Strahlenkegel sich geringfügig überschneiden. Dadurch sinkt die Stoßarbeit rapide, da die Durchmischung von Rauchgas und Abdampf erleichtert wird. Der Schornstein entsteht, indem von dem sich ergebenden Gebilde - 7 sich durchschneidende Einzelschornsteine - einfach alle inneren Wände weggelassen werden. Die Blasrohranlage wird so angeordnet, dass die Blasrohrdüsen in Fahrzeuglängsrichtung liegen. Dies ergibt die bekannte äußere Gestalt des sogenannten Giesl-Flachejektors, korrekt als Mehrfachstrahl-Flachejektor zu bezeichnen.
Giesl-Gieslingen bot noch "Zusatzeinrichtungen" zum Mehrfachstrahl-Flachejektor an:
* Funkenfänger als aufklappbare Korb-Funkenfänger um die Blasrohrmündung oder als Mikro-Funkenfänger im Schornsteinkopf. Über die verbesserte Wirkung in Hinsicht des Brandschutzes äußerte sich Giesl-Gieslingen in diversen Veröffentlichungen.
* Gemeinsam mit Fritz Altmann von den ÖBB entwarf Giesl-Gieslingen verschiedene Formen der so genannten Siederohrdrosselung. Grundidee ist, die wesentlich höhere Leistungsfähigkeit bei der Feueranfachung dazu zu nutzen, die Abtimmung des Kessels in Hinsicht des freien Rohrquerschnittes im Langkessel zu ändern: Dabei wird der Querschnitt der Heizrohre (österr. Siederohre) verringert und zwangsläufig mehr Rauchgas durch die Rauchrohre - am Überhitzer vorbei - "gezwängt". Ergebnis ist eine Erhöhung der Temepratur des Heißdampfes. Eine größere Überhitzung bedeutet bessere Wärmeausnutzung und weniger Kondensationsverluste in der Dampfmaschine - mithin eine spürbare Wirkungsgradsteigerung der Lok. Allerdings ist dies nur bei vergleichsweise alten Kesselkonstruktionen sinnvoll, da neuere Kessel bereits Heißdampftemperaturen liefern, die die verwendeten Schmierstoffe in der Dampfmaschine grenzwertig beanspruchen. Die Siederohrdrosselung erfolgt durch eine Klappe für das gesamte Rohrfeld unterhalb der Rauchrohre und einzelne Drosselstücke für die Heizrohre im Rauchrohrfeld oder durch auch teilweise praktizierten Einbau von Siederohren kleineren Querschnittes (vor allem in Loks der Reihe 52/152 der ÖBB).
Beschaffungen der DR und Einsatz – Kauf- und Lizenzejektoren
Die DR beschaffte einige Flachejektor-Blasrohranlagen zur Probe:
* 1956 für 50 831, später (und bis heute) auf 18 201
* 1960 für eine 44, nicht eingebaut, 1963 auf 01 504
* 1964 für 38 3276, später auf 78 425.
Es handelte sich um komplette Anlagen, die in Österreich beschafft wurden. 50 831 und 38 3276 wurden im Rahmen der Erprobung ebenfalls mit Siederohrdrosselung ausgerüstet.
Die DR setzte die Flachejektor-Blasrohranlage vorrangig auf Altbaulokomotiven ein, zu einem geringen Teil auf Reko- und Neubau-Loks. Die Gründe waren entsprechend vielgestaltig. Grundsätzlich war die DR nach dem Zweiten Weltkrieg damit konfrontiert, keine Steinkohle mehr für die Lokomotivfeuerung einsetzen zu können. Da jedoch die Lokomotiven für die Nutzung dieses Brennstoffes ausgelegt waren, kam es zu den vielfältigen bekannten Problemen. Lösungsansätze waren für die leistungsfähigsten Dampfloks doch die Beschaffung von Steinkohle und die Umrüstung auf Kohlenstaub- oder Ölfeuerung. Weitere Maschinen wurden brauchbar, indem für Braunkohlenfeuerung ausgelegte Kessel aufgesetzt wurden ("Reko-Loks").
Die erste Baureihe der DR, bei der der "Giesl" serienmäßig zur Anwendung kam, war die 38.10. Dies war das Ergbenis der Versuchsfahrten mit 38 3276. Entsprechend ihres konstruktiven Alters war die P8 sehr konservativ ausgelegt, seither gab es ausreichend Fortschritte bei den Schmierstoffen, so daß eine signifikante Erhöhung der Dampftemperatur möglich war. Entsprechend kam hier die neue Saugzuganlage, kombiniert mit der Sierohrdrosselung, zum Einsatz. Die Lokomotiven wurden im Brennstoffverbrauch wesentlich wirtschaftlicher.
Als zweite Baureihe ist die BR 65.10 zu nennen. Diese Neubaulokomotive war sehr ambitioniert konstruiert, wies jedoch im Detail konstruktive und Fertigungsmängel auf. Das Triebwerk hat einen der BR 41 direkt vergleichbaren Dampfverbrauch (dort in der Ursprungsausführung 11.6 t/h bei 20 atü [vom energetischen Wert gleichzusetzen mit etwa 14 t Dampf bei 16 atü]), der Kessel der BR 65.10 kann jedoch nur etwa 10 t/h bei 16 atü liefern. Dieser Idealwert wird darüberhinaus nicht erreicht, weil der freie Rohrquerschnitt zu gering ist, die Saugzuganlage zu wenig leistungsfähig ist und die Luftzufuhr zum Aschkasten durch konstruktive Enge zwischen dem Rost und dem hoch gebauten Blechrahmen behindert wird. Die "Rettung" der Baureihe war nur durch eine leistungsfähige Saugzuganlage möglich, die diese gesamten Widerstände zu überwinden vermag. Zusätzlich wurde zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit die Siederohrdrosselung angewandt. Es ist jedoch zu vermerken, dass der Giesl-Ejektor hier keinerlei Brennstoffeinsparungen brachte.
Weiterhin kamen zur Ausstattung mit der modernen Blasrohranlage Lokomotiven in Frage, die im mittleren Leistungsbereich angesiedelt waren und einen eher nach Garbeschen Prinzipien denn der Wagnerschen "Langrohrphilosophie" abgestimmten Kessel besaßen. Diese konnten prinzipiell halbwegs gut mit Braunkohle gefeuert werden, wiesen jedoch zu kleine Rostflächen auf. Zur Erhöhung des Brennstoffdurchsatzes wurde deshalb mit dem Giesl-Flachejektor der Saugzug vergrößert. Dies gilt speziell für die Altbau-BR 50 & 52. Damit wurde es nicht notwendig, für diese Loks einen neuen Kessel zu beschaffen, sondern man kam mit etwa einem Zehntel des Aufwandes hin. Die entsprechenden Reko-Versionen erhielten auch zuweilen einen "Giesl", jedoch brachte dieser dort keinen Effekt, deshalb wurde die Umrüstung auf Weisung der HV M eingestellt.
Für den serienmäßigen Einsatz sollten die Blasrohranlagen in der DDR gefertigt werden. Deshalb waren Lizenzgebühren zu entrichten. Diese betrugen für eine Blasrohranlage 100 US-Dollar, für eine Blasrohranlage mit Siederohrdrosselung 200 US-Dollar. Die in der DDR gefertigten Schornsteine wurden aus zwei Hälften zusammengeschweißt, die aus 8-mm-Blech kaltgepreßt wurden. Die Haltbarkeit dieser Anlagen war begrenzt. Deshalb wurden diese ab Ende der 1970er Jahre wieder durch Regelsaugzuganlagen ersetzt, um sich neuerliche Lizenzzahlungen zu ersparen. Es wurden beschafft und abgerechnet:
* 88 Anlagen für die BR 65.10 ... 17.600 $
* 72 Anlagen für die BR 38.10 ... 14.400 $
* 390 Anlagen für BR 50/50.35/52/52.80 ... 39.000 $
... macht summa summarum 71.000 $, die an die Rechte-Inhaber an der Mehrfachstrahl-Blasrohranlage, die Schoeller-Bleckmann AG in Österreich zu zahlen waren.
Weitere später mit "Giesl" ausgerüstete Loks der DR waren:
* 23 001 ab 1969, dann als 35 2001-2
* 03 1010 ab 1971.
Deren Herkunft ist bislang noch nicht restlos geklärt.
Konstruktive Ausführung
Die konstruktive Anordnung der Einrichtungen ist auf der beigegebenen Zeichnung, entnommen aus Schienenfahrzeuge 6/66, dargestellt.
Medium 263 anzeigen
Bedingt durch die große Tiefe des Schornsteins in Längsrichtung des Kessels wurden verschiedene Möglichkeiten realisiert und teilweise diskutiert. Die Standardlösung ist die lotrechte Anlage, wie sie beispielsweise bei der P8 realsiert wurde. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, den Schornstein nach hinten zu neigen. Dies geschah unter anderem bei den Baureihen 50 und 52, sowohl Altbau als auch Reko, wenn diese mit Vorwärmer, gleichgültig ob Oberflächen-, Heinl- oder IfS-Mischvorwärmer, ausgestattet waren. Dann wurd das gesamte Aggregat durch einen entsprechend Blasrohrkopf um 2,73° nach hinten geneigt. Durch den Ursprung des Aggregates der 18 201 von 50 831 trifft das auch für diese Lok zu. Bei einer entsprechend ausgestatteten G12 wurde hingegen der Ejektor inklusiv Schornstein um 4,085° nach vorn geneigt, um dem Überhitzer auszuweichen.
Weiterhin wurde minestens in einem Falle diskutiert, zwischen Blasrohrachse und Schornsteinachse bei einer Parallelverschiebung um 40 mm durch ein gekröpftes Blasrohrstück die lotrechte Bauart beizubehalten.
Einsatz bei ÖBB, CSD sowie Kurzurteil im Vergleich zum Kylchap
Die Flachejektor-Blasrohranlage fand - vor dem Einsatz bei der DR - größere Verbreitung in Österreich und der Tschechoslowakei. Die dortigen Staatsbahnen setzen etwa 450 (ÖBB) und 850 (CSD) Aggregate ein, darüber hinaus erfolgten auch Ausrüstungen bei Privat- und Werksbahnen in diesen Ländern. Insgesamt waren damit in Österreich, CSSR und DDR reichlich drei Viertel aller Giesl-Ejektoren weltweit im Einsatz.
Zur Frage, ob denn der "Giesl" besser sei als der "Kylchap", ist eine salomonische Antwort angebracht, die sich auf die Anwendung bei den CSD stützen kann. Dort kamen beide Ausführungen in etwa gleicher Größenordnung zum Einsatz. Der Kylchap weist jedoch eine etwas andere Charakterisitik der eingangs genannten Nutzung der Blasrohrenergie auf; vor allem ist die verbleibende Auswurfenergie wesentlich höher. Damit eigneten sich die Kylchap-Anlagen wesentlich besser für die mit Stokerfeuerung ausgestatten Neubaulokomotiven. Bei Stokerfeuerung tritt wesentlich mehr Funkenflug auf, dieser hat durch die höhere Auswurfenergie mehr Zeit zum Ausbrennen in der Luft - vor dem Auftreffen auf den Boden. Somit ist dem Brandschutz an dieser Stelle besser gedient.
Einsatz bei anderen Bahnverwaltungen und Überblick über ausgestattete Lokomotivbauarten
Die DB erprobte einen fünfstrahligen "Giesl" ab 1955 auf 50 1503.
Die Baureihenfamilie 50/52/23 ist mit 531 ausgerüsteten Maschinen der erfolgreichste Träger des Giesl-Ejektors.
Auf folgenden preußischen Lokomotivbauarten findet sich der Giesl: P8, T18, G12, G8.1.
Gesamteinschätzung
Über alle nachgewisenen 2417 Giesl-Ejektoren gerechnet, kamen 2399 Aggregate auf Umbau-Lokomotiven zum Einsatz, so daß eine vollständige Beurteilung seiner Qualitäten aus der Praxis nicht möglich erscheint. Denn für eine komplett neu zu konstruierende Dampflok kann die Blasrohranlage nach Giesl-Gieslingen dazu dienen, sowohl den notwendigen Ausströmdruck aus der Dampfmaschine herabzusetzen und damit die Dampfmaschine wirtschaftlicher zu gestalten als auch den Kessel anders abzustimmen. Ansatzweise erfolgte letzteres bei den 1966 aus der Maschinenfabrik Esslingen gelieferten Zahnradlokomotiven für Indonesien.
Quellen
Dieser Text ist eine Zusammenstellung des Wissensstandes aus verschiedenen Werken:
* J.O.Slezak: Der Giesl-Ejektor
* Adolph Giesl-Gieslingen: Anatomie der Dampflokomotive, Die Ära nach Gölsdorf, Fachzeitschriftenbeiträge
* Robin Garn: Reichsbahn ohne Reich, Bd. 2
* Hans Müller u.a.: Die ersten Neubaudampflokomotiven der Deutschen Reichsbahn.
* Zeitschriftenbeiträge aus Eisenbahn-Kurier, Eisenbahn-Magazin, Die Werkstatt bzw. Schienenfahrzeuge.
Weitere Präzisierungen und notwendige kleine Korrekturen bringe ich gelegentlich in diesen Beitrag ein. Aktueller Stand: 12. Juni 2018. Klaus Habermann
Die Dampflokomotive klassischer Stephensonscher Bauart nutzt den Abdampf der Dampfmaschinen zur Feueranfachung. Dazu werden die Auströmrohre vereinigt ("Hosenrohr" oder "Hosenstück") und münden in eine Blasrohrdüse (Ejektor), die von unten mehr oder weniger hoch in die Rauchkammer ragt. Der dadurch definierte Abdampfstrahl füllt den darüber befindlichen Schornstein möglichst gut aus. Die Energie des Abdampfstrahles erzeugt den Rauchkammer-Unterdruck, der durch die Rauchrohre (enthalten die Überhitzerelemente) und die Heizrohre (österreichisch Siederohre) den Saugzug für die Feueranfachung bewirkt. Der große Vorteil dieses Verfahrens ist, dass eine angestrengte Maschinenarbeit auch eine gute Feueranfachung bewirkt. Insofern ist die Dampflokomotive selbstregulierend und es muss diesbezüglich nicht seitens des Lokpersonals eingegriffen werden.
Die Wirtschaftlichkeit der Dampflok wird dadurch gemindert, dass der Dampf den Dampfzylinder mit einem größeren Druck verlässt, als rein mechanisch erforderlich, um die notwendige Saugzugarbeit verrichten zu können. Gemäß der Gestaltung der Saugzuganlage werden durch die Blasrohrenergie drei Arbeitsfelder bedient:
* Überwinden des Stoßverlustes (Auftreffen des Abdampfes auf das langsamer strömende Rauchgas, Energie zum Vermischen von Abdampf und Rauchgas)
* Pumpleistung (Hinausschaffen der Rauchgase aus Rauchkammer)
* Austrittsenergie (Ausstoß von Abdampf und Rauchgas – verbleibende Energie des Abdampf-Rauchgas-Gemisches – zeigt sich in der Ausprägung der "Dampffahne", also das Vermögen, den Abdampf noch signifikant von Lok/Zug/Führerstand wegzubefördern, um keine Störung/Belästigung/Gefährdung von Lokpersonal, Reisenden und Fracht zu riskieren). Es handelt sich bei der Saugzuganlage um eine Strahlpumpe, die entsprechend der Wertebereiche von Druck und Temperatur der beiden gasförmigen Medien einerseits vergleichsweise große Abmaße besitzt und andererseits ein festes Verhältnis der Düsen aufweist - im Gegensatz bspw. zur der Kesselspeisung dienenden Dampfstrahlpumpe ("Injektor"), die eingestellt werden kann. Die Regelsaugzuganlage der DR(G) erreichte einen Wirkungsgrad (Verhältnis von Blasrohrenergie zu Pumparbeit) von etwa 10 bis 12 Prozent, so Untersuchungen des Österreichers Adolph Giesl-Gieslingen im Jahr 1929.
Forschungen von Giesl-Gieslingen
Giesl-Gieslingen sah in der Verbesserung der Saugzuganlagen ein großes Potential und publizierte bereits 1924 im Alter von 20 Jahren dazu erste Gedanken! Er zog aus Untersuchungen von Dr. Ing. F. C. Huygen, Delft, Holland (Experimentelle Untersuchung von Lokomotivschornsteinen, 1924) eigene Schlussfolgerungen, die sich stark vereinfacht wie folgt zusammenfassen lassen: Es haben sich im Zeitraum um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert in Bezug auf Lokomotivgrößen und -leistungen brauchbare und leistungsfähige Saugzuganlagen herausgebildet. Jedoch war es nicht mehr möglich, die gefundenen Proportionen (im wesentlichen durch die Maße Blasrohrquerschnitt, kleinster Schornsteinquerschnitt, Abstand Blasrohroberkante - Schornsteinunterkante sowie Schornsteinhöhe) bei den späteren Konstruktionen beizubehalten, da die Kessel im Durchmesser immer größer wurden und immer höher wanderten, so dass sich die idealen Düsenverhältnisse nicht mehr baulich unterbringen ließen - dem stand und steht das seit Beginn des Eisenbahnzeitalters nahezu unveränderte Lichtraumprofil entgegen. Die Lösung war darin zu finden, dass die Strömungslehre erklärt, dass ein Aggregat durch n ähnliche Aggregate reduzierter Länge bzw. Höhe, nämlich hn = h * [1-1/Wurzel(n)], bei gleicher Gesamtleistungsfähigkeit ersetzt werden kann. So ergeben sich Bauhöheneinsparungen von 29 % für eine Doppel-, 50 % für eine Vierfach- und 62 % für eine Siebenfach-Saugzuganlage.
Die erste Blasrohranlage nach seinen Forschungen, die die bei später auch den Lokomotiven der DR angewandte Gestaltung aufwies, kam im Mai 1949 auf der Lok Nr. 191 der Chesapeake & Ohio Railway zum Einsatz. Diese wies einen auf 40 Prozent gesteigerten Wirkungsgrad auf. Der Blasrohrkopf besteht aus 7 hintereinanderliegenden Blasrohrdüsen, deren Strahlenkegel sich geringfügig überschneiden. Dadurch sinkt die Stoßarbeit rapide, da die Durchmischung von Rauchgas und Abdampf erleichtert wird. Der Schornstein entsteht, indem von dem sich ergebenden Gebilde - 7 sich durchschneidende Einzelschornsteine - einfach alle inneren Wände weggelassen werden. Die Blasrohranlage wird so angeordnet, dass die Blasrohrdüsen in Fahrzeuglängsrichtung liegen. Dies ergibt die bekannte äußere Gestalt des sogenannten Giesl-Flachejektors, korrekt als Mehrfachstrahl-Flachejektor zu bezeichnen.
Giesl-Gieslingen bot noch "Zusatzeinrichtungen" zum Mehrfachstrahl-Flachejektor an:
* Funkenfänger als aufklappbare Korb-Funkenfänger um die Blasrohrmündung oder als Mikro-Funkenfänger im Schornsteinkopf. Über die verbesserte Wirkung in Hinsicht des Brandschutzes äußerte sich Giesl-Gieslingen in diversen Veröffentlichungen.
* Gemeinsam mit Fritz Altmann von den ÖBB entwarf Giesl-Gieslingen verschiedene Formen der so genannten Siederohrdrosselung. Grundidee ist, die wesentlich höhere Leistungsfähigkeit bei der Feueranfachung dazu zu nutzen, die Abtimmung des Kessels in Hinsicht des freien Rohrquerschnittes im Langkessel zu ändern: Dabei wird der Querschnitt der Heizrohre (österr. Siederohre) verringert und zwangsläufig mehr Rauchgas durch die Rauchrohre - am Überhitzer vorbei - "gezwängt". Ergebnis ist eine Erhöhung der Temepratur des Heißdampfes. Eine größere Überhitzung bedeutet bessere Wärmeausnutzung und weniger Kondensationsverluste in der Dampfmaschine - mithin eine spürbare Wirkungsgradsteigerung der Lok. Allerdings ist dies nur bei vergleichsweise alten Kesselkonstruktionen sinnvoll, da neuere Kessel bereits Heißdampftemperaturen liefern, die die verwendeten Schmierstoffe in der Dampfmaschine grenzwertig beanspruchen. Die Siederohrdrosselung erfolgt durch eine Klappe für das gesamte Rohrfeld unterhalb der Rauchrohre und einzelne Drosselstücke für die Heizrohre im Rauchrohrfeld oder durch auch teilweise praktizierten Einbau von Siederohren kleineren Querschnittes (vor allem in Loks der Reihe 52/152 der ÖBB).
Beschaffungen der DR und Einsatz – Kauf- und Lizenzejektoren
Die DR beschaffte einige Flachejektor-Blasrohranlagen zur Probe:
* 1956 für 50 831, später (und bis heute) auf 18 201
* 1960 für eine 44, nicht eingebaut, 1963 auf 01 504
* 1964 für 38 3276, später auf 78 425.
Es handelte sich um komplette Anlagen, die in Österreich beschafft wurden. 50 831 und 38 3276 wurden im Rahmen der Erprobung ebenfalls mit Siederohrdrosselung ausgerüstet.
Die DR setzte die Flachejektor-Blasrohranlage vorrangig auf Altbaulokomotiven ein, zu einem geringen Teil auf Reko- und Neubau-Loks. Die Gründe waren entsprechend vielgestaltig. Grundsätzlich war die DR nach dem Zweiten Weltkrieg damit konfrontiert, keine Steinkohle mehr für die Lokomotivfeuerung einsetzen zu können. Da jedoch die Lokomotiven für die Nutzung dieses Brennstoffes ausgelegt waren, kam es zu den vielfältigen bekannten Problemen. Lösungsansätze waren für die leistungsfähigsten Dampfloks doch die Beschaffung von Steinkohle und die Umrüstung auf Kohlenstaub- oder Ölfeuerung. Weitere Maschinen wurden brauchbar, indem für Braunkohlenfeuerung ausgelegte Kessel aufgesetzt wurden ("Reko-Loks").
Die erste Baureihe der DR, bei der der "Giesl" serienmäßig zur Anwendung kam, war die 38.10. Dies war das Ergbenis der Versuchsfahrten mit 38 3276. Entsprechend ihres konstruktiven Alters war die P8 sehr konservativ ausgelegt, seither gab es ausreichend Fortschritte bei den Schmierstoffen, so daß eine signifikante Erhöhung der Dampftemperatur möglich war. Entsprechend kam hier die neue Saugzuganlage, kombiniert mit der Sierohrdrosselung, zum Einsatz. Die Lokomotiven wurden im Brennstoffverbrauch wesentlich wirtschaftlicher.
Als zweite Baureihe ist die BR 65.10 zu nennen. Diese Neubaulokomotive war sehr ambitioniert konstruiert, wies jedoch im Detail konstruktive und Fertigungsmängel auf. Das Triebwerk hat einen der BR 41 direkt vergleichbaren Dampfverbrauch (dort in der Ursprungsausführung 11.6 t/h bei 20 atü [vom energetischen Wert gleichzusetzen mit etwa 14 t Dampf bei 16 atü]), der Kessel der BR 65.10 kann jedoch nur etwa 10 t/h bei 16 atü liefern. Dieser Idealwert wird darüberhinaus nicht erreicht, weil der freie Rohrquerschnitt zu gering ist, die Saugzuganlage zu wenig leistungsfähig ist und die Luftzufuhr zum Aschkasten durch konstruktive Enge zwischen dem Rost und dem hoch gebauten Blechrahmen behindert wird. Die "Rettung" der Baureihe war nur durch eine leistungsfähige Saugzuganlage möglich, die diese gesamten Widerstände zu überwinden vermag. Zusätzlich wurde zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit die Siederohrdrosselung angewandt. Es ist jedoch zu vermerken, dass der Giesl-Ejektor hier keinerlei Brennstoffeinsparungen brachte.
Weiterhin kamen zur Ausstattung mit der modernen Blasrohranlage Lokomotiven in Frage, die im mittleren Leistungsbereich angesiedelt waren und einen eher nach Garbeschen Prinzipien denn der Wagnerschen "Langrohrphilosophie" abgestimmten Kessel besaßen. Diese konnten prinzipiell halbwegs gut mit Braunkohle gefeuert werden, wiesen jedoch zu kleine Rostflächen auf. Zur Erhöhung des Brennstoffdurchsatzes wurde deshalb mit dem Giesl-Flachejektor der Saugzug vergrößert. Dies gilt speziell für die Altbau-BR 50 & 52. Damit wurde es nicht notwendig, für diese Loks einen neuen Kessel zu beschaffen, sondern man kam mit etwa einem Zehntel des Aufwandes hin. Die entsprechenden Reko-Versionen erhielten auch zuweilen einen "Giesl", jedoch brachte dieser dort keinen Effekt, deshalb wurde die Umrüstung auf Weisung der HV M eingestellt.
Für den serienmäßigen Einsatz sollten die Blasrohranlagen in der DDR gefertigt werden. Deshalb waren Lizenzgebühren zu entrichten. Diese betrugen für eine Blasrohranlage 100 US-Dollar, für eine Blasrohranlage mit Siederohrdrosselung 200 US-Dollar. Die in der DDR gefertigten Schornsteine wurden aus zwei Hälften zusammengeschweißt, die aus 8-mm-Blech kaltgepreßt wurden. Die Haltbarkeit dieser Anlagen war begrenzt. Deshalb wurden diese ab Ende der 1970er Jahre wieder durch Regelsaugzuganlagen ersetzt, um sich neuerliche Lizenzzahlungen zu ersparen. Es wurden beschafft und abgerechnet:
* 88 Anlagen für die BR 65.10 ... 17.600 $
* 72 Anlagen für die BR 38.10 ... 14.400 $
* 390 Anlagen für BR 50/50.35/52/52.80 ... 39.000 $
... macht summa summarum 71.000 $, die an die Rechte-Inhaber an der Mehrfachstrahl-Blasrohranlage, die Schoeller-Bleckmann AG in Österreich zu zahlen waren.
Weitere später mit "Giesl" ausgerüstete Loks der DR waren:
* 23 001 ab 1969, dann als 35 2001-2
* 03 1010 ab 1971.
Deren Herkunft ist bislang noch nicht restlos geklärt.
Konstruktive Ausführung
Die konstruktive Anordnung der Einrichtungen ist auf der beigegebenen Zeichnung, entnommen aus Schienenfahrzeuge 6/66, dargestellt.
Medium 263 anzeigen
Bedingt durch die große Tiefe des Schornsteins in Längsrichtung des Kessels wurden verschiedene Möglichkeiten realisiert und teilweise diskutiert. Die Standardlösung ist die lotrechte Anlage, wie sie beispielsweise bei der P8 realsiert wurde. Weiterhin gibt es die Möglichkeit, den Schornstein nach hinten zu neigen. Dies geschah unter anderem bei den Baureihen 50 und 52, sowohl Altbau als auch Reko, wenn diese mit Vorwärmer, gleichgültig ob Oberflächen-, Heinl- oder IfS-Mischvorwärmer, ausgestattet waren. Dann wurd das gesamte Aggregat durch einen entsprechend Blasrohrkopf um 2,73° nach hinten geneigt. Durch den Ursprung des Aggregates der 18 201 von 50 831 trifft das auch für diese Lok zu. Bei einer entsprechend ausgestatteten G12 wurde hingegen der Ejektor inklusiv Schornstein um 4,085° nach vorn geneigt, um dem Überhitzer auszuweichen.
Weiterhin wurde minestens in einem Falle diskutiert, zwischen Blasrohrachse und Schornsteinachse bei einer Parallelverschiebung um 40 mm durch ein gekröpftes Blasrohrstück die lotrechte Bauart beizubehalten.
Einsatz bei ÖBB, CSD sowie Kurzurteil im Vergleich zum Kylchap
Die Flachejektor-Blasrohranlage fand - vor dem Einsatz bei der DR - größere Verbreitung in Österreich und der Tschechoslowakei. Die dortigen Staatsbahnen setzen etwa 450 (ÖBB) und 850 (CSD) Aggregate ein, darüber hinaus erfolgten auch Ausrüstungen bei Privat- und Werksbahnen in diesen Ländern. Insgesamt waren damit in Österreich, CSSR und DDR reichlich drei Viertel aller Giesl-Ejektoren weltweit im Einsatz.
Zur Frage, ob denn der "Giesl" besser sei als der "Kylchap", ist eine salomonische Antwort angebracht, die sich auf die Anwendung bei den CSD stützen kann. Dort kamen beide Ausführungen in etwa gleicher Größenordnung zum Einsatz. Der Kylchap weist jedoch eine etwas andere Charakterisitik der eingangs genannten Nutzung der Blasrohrenergie auf; vor allem ist die verbleibende Auswurfenergie wesentlich höher. Damit eigneten sich die Kylchap-Anlagen wesentlich besser für die mit Stokerfeuerung ausgestatten Neubaulokomotiven. Bei Stokerfeuerung tritt wesentlich mehr Funkenflug auf, dieser hat durch die höhere Auswurfenergie mehr Zeit zum Ausbrennen in der Luft - vor dem Auftreffen auf den Boden. Somit ist dem Brandschutz an dieser Stelle besser gedient.
Einsatz bei anderen Bahnverwaltungen und Überblick über ausgestattete Lokomotivbauarten
Die DB erprobte einen fünfstrahligen "Giesl" ab 1955 auf 50 1503.
Die Baureihenfamilie 50/52/23 ist mit 531 ausgerüsteten Maschinen der erfolgreichste Träger des Giesl-Ejektors.
Auf folgenden preußischen Lokomotivbauarten findet sich der Giesl: P8, T18, G12, G8.1.
Gesamteinschätzung
Über alle nachgewisenen 2417 Giesl-Ejektoren gerechnet, kamen 2399 Aggregate auf Umbau-Lokomotiven zum Einsatz, so daß eine vollständige Beurteilung seiner Qualitäten aus der Praxis nicht möglich erscheint. Denn für eine komplett neu zu konstruierende Dampflok kann die Blasrohranlage nach Giesl-Gieslingen dazu dienen, sowohl den notwendigen Ausströmdruck aus der Dampfmaschine herabzusetzen und damit die Dampfmaschine wirtschaftlicher zu gestalten als auch den Kessel anders abzustimmen. Ansatzweise erfolgte letzteres bei den 1966 aus der Maschinenfabrik Esslingen gelieferten Zahnradlokomotiven für Indonesien.
Quellen
Dieser Text ist eine Zusammenstellung des Wissensstandes aus verschiedenen Werken:
* J.O.Slezak: Der Giesl-Ejektor
* Adolph Giesl-Gieslingen: Anatomie der Dampflokomotive, Die Ära nach Gölsdorf, Fachzeitschriftenbeiträge
* Robin Garn: Reichsbahn ohne Reich, Bd. 2
* Hans Müller u.a.: Die ersten Neubaudampflokomotiven der Deutschen Reichsbahn.
* Zeitschriftenbeiträge aus Eisenbahn-Kurier, Eisenbahn-Magazin, Die Werkstatt bzw. Schienenfahrzeuge.
Weitere Präzisierungen und notwendige kleine Korrekturen bringe ich gelegentlich in diesen Beitrag ein. Aktueller Stand: 12. Juni 2018. Klaus Habermann