Ich habe den ehemaligen Potsdamer Hbf als Lehrling im 2. Lehrjahr im Zugbegleitdienst 1983 kennengelernt. Während der Ausbildung sind wir 3 x im Nahverkehr und 3 x im Fernverkehr im Zugbegleitdienst mitgefahren.
Die Modulisten kennen ja schon das Buch mit den "Erinnerungen" von mir. Daraus hier nun ein Auszug:
Heute soll es nun losgehen. Ich melde mich um 06:00 Uhr beim Fahrmeister Berlin-Ostbahnhof zum Dienst. Ich werde einer netten rothaarigen Kollegin zugeteilt. Frau Feuerherm ist froh über die unerwartete Hilfe durch den Lehrling. Zweimal mit dem "Sputnik" Berlin-Karlshorst - Potsdam Hbf - Brandenburg und wieder zurück stehen auf dem Dienstplan.
Wir übernehmen den Zug in der Abstellanlage vom Ostbahnhof. Eine BR 118 und eine 4-teilige Doppelstockeinheit bilden den Zug nach Brandenburg. Wir richten uns im Dienstabteil ein. Sie fragt, was ich den schon so kann und ich gestehe das es nicht sehr viel ist. Ich will ja schließlich später aufs Stellwerk und nicht in den Zugbegleitdienst. Das wird schon, versichert sie mir. Ich bin trotzdem interessiert.
Pünktlich stehen wir in Berlin-Karlshorst mit dem 11408 am Bahnsteig zur Abfahrt. Der Bahnsteig ist ziemlich voll. Die erste Tour ist zum eingewöhnen. Ich passe auf das mir nichts entgeht. Fahrkarten verkaufen und kontrollieren, Auskünfte erteilen und immer einen Blick auf die Uhr bei der Zugabfertigung.
Ich bewundere ihr selbstgebasteltes Zp 9b aus grünen und weißen Plasteperlen, die mit Angelsehne zusammengehalten werden. Praktisch ist so ein Teil ja, einfach zusammenrollen und in die Hosentasche stecken.
" Willste auch mal? "
" Was denn? "
" Einen fahren lassen!"
Irritiert schaue ich hoch, hier im Dienstabteil? Ich mache offensichtlich ein ziemlich blödes Gesicht. Sie lacht herzlich und ansteckend.
" Ob du mal einen Zug abfahren lassen möchtest, meine ich. "
Ach so. Warum eigentlich nicht?
In Genshagener Heide und Saarmund gebe ich das Abfahrtssignal. Ich springe die Stufen hoch, schiebe die Tür zu und die 118-er zieht gewaltig an.
Bergholz liegt mitten in der Pampa. Keiner will hier ein- oder aussteigen. Ist auch gerade kein Anschluss zum unteren Bahnsteig. Ich mache einen langen Arm mit meiner Signalflagge, der Lokführer pfeift kurz zur Bestätigung und es geht weiter.
Potsdam Hbf. 8 min Aufenthalt. Wir gehen zur Aufsicht und bekommen einen Kaffee serviert. In der Mitte überholt uns ein Güterzug. Über Werder(Havel) und Groß Kreutz geht es nach Brandenburg. Ankunft 09:13 Uhr. Endstation. Kurze Pause.
09:40 Uhr geht es als 11417 wieder nach Karlshorst zurück. In der Abstellanlage in Berlin-Ostbahnhof mache ich im Zug auf einer Sitzbank ein Nickerchen. Ich bin ziemlich fertig.
Die zweite Tour ist kürzer, denn die Runde mit dem 11476 geht nur bis Werder(Havel). Zurück geht es mit dem 11485 Werder(Havel) ab 18:10 Uhr. Jetzt ist Berufsverkehr und der Zug ist rappelvoll. Es gibt reichlich zu tun. 19:26 Uhr kommen wir in Karlshorst an, die Reisenden verlassen den Zug und die letzten Kilometer bis Ostbahnhof genießen wir ohne Fahrgäste. Abrüsten und endlich gegen 20:00 Uhr Feierabend. Es war ein langer Tag. Ich verabschiede mich von meiner Chefin und fahre mit der S-Bahn nach Hause. Abends falle ich todmüde um.
Der "Sputnik" nach Brandenburg in Potsdam Hbf.
Mathias