Das Angelrodaer Viadukt - Historie einer Brücke, die keiner haben wollte
Als die Arnstädter mit der Bahnstrecke Neudietendorf–Arnstadt ihre Bahn erhielten, wurde auch in Ilmenau der Ruf nach der Eisenbahn immer lauter. Die Bestrebungen scheiterten vorerst am politisch zersplitterten Gelände. So hatten zahlreiche verschiedene Fürstentümer Landesteile im Gebiet zwischen Ilmenau und Arnstadt. Sie wollten der Wirtschaft in ihren Hauptstädten entlang der Querbahn keine weitere Konkurrenz schaffen. Auf der anderen Seite standen die Verkehrsplaner, die bereits weitere Pläne schmiedeten, so z. B. eine Verbindung Ilmenau–Suhl, die zur Strecke Berlin–Stuttgart gehört hätte, sowie eine Verbindung Ilmenau–Saalfeld. Insbesondere Preußen drängte auf eine Anbindung Suhls an das nördliche thüringer Vorland und der Schaffung eines leistungsfähigen Zugangs zur in Suhl befindlichen Waffenindustrie. Ein von den Projektanten bereits in der frühen Planungsphase vorgesehener späterer Weiterbau der Strecke über Stützerbach nach Suhl kam nicht zur Ausführung, da keine Einigung zwischen den berührten Ländern zustande kam und die Baukosten zu hoch ausfielen. Bei dieser Variante wäre der Kamm des Thüringer Waldes mit einem ca. 2000 m langen Tunnel im Bereich der Schmücke/Großer Finsterberg unterquert worden.
Als 1876 die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft die Strecke von Arnstadt bis Ilmenau weiterführen wollte, mussten schwierige Verhandlungen mit den verschiedenen Staatsvertretern geführt werden. Der größte Widerstand kam dabei von Ernst II., dem Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Der Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft war bekannt, dass der Herzog gerne in Elgersburg verweilte und man wollte ihm mit einem ursprünglich dem Tal der Zahmen Gera folgenden Streckenführung entgegen kommen und über Gera, Arlesberg (die Orte fusionierten zu Geraberg) Elgersburg erreichen. Diese Planung scheiterte am anfänglichen Widerstand des Herzogs, der eine eigene Strecke von Ohrdruf nach Elgersburg bauen wollte, welche nur über sein Hoheitsgebiet verlaufen würde, und auch wegen Protesten Geschwendaer Bürger gegen die Bahn. Die Bürger befürchteten, dass ständige Kesselexplosionen das Land verwüsten, der Rauch der Loks die Luft verpesten, das Gras bitter machen und die Kühe beim Anblick der Ungetüme nur noch sauere Milch geben würden - ein gängiges Vorurteil in der damaligen Zeit mit dem sich z.B. auch Georg Stephenson schon in England herumschlagen musste. Die in Folge dessen geplante komplette Trassierung im Reichenbachtal über Martinroda wurde dort sehr begrüßt und Martinroda stellte kostenlos jede gewünschte Trasse zur Verfügung. Diese Streckenführung scheiterte aber am nun neuerlichen Veto des Gothaer Herzogs. Da seine Wunschstrecke von Ohrdruf nach Elgersburg sich als viel zu teuer herausstellte, musste er dieses Vorhaben aufgeben und bedurfte nun eines Bahnhofs in Elgersburg an der Strecke Arnstadt-Ilmenau. Seine Zustimmung wurde aber auch gebraucht, da man sein Hoheitsgebiet im Abschnitt Arnstadt-Plaue befahren musste. Die alleinige Trassierung im Reichenbachtal hätte Elgersburg aber nicht mehr berührt, wäre aber dafür um vieles billiger gewesen. Jedoch war man von der Zustimmung des Herzogs abhängig und erfüllte deshalb seinen Wunsch auf einen großen und repräsentativen Bahnhof in Elgersburg, in dem zusätzliche Gleise für die Bereitstellung seiner Sonderzüge permanent zur Verfügung stehen mussten. Die nun erforderliche Trassierung mit den aufwändigen und teuren Kunstbauten in Angelroda wurde nun nötig, um doch noch die Zusicherung gegenüber Martinroda erfüllen zu können, auch wenn der Bahnhof von Martinroda nun nicht mehr im Ort sondern 2 km entfernt davon gebaut werden musste. Martinroda und Geraberg (damals noch Gera genannt) stellten aber wie zugesagt alle Grundstücke der Trasse faktisch kostenlose bereit. Durch die neue Trassierung erhielt Geraberg nun wieder einen Bahnhof. Dieser ist zwar nur ca. 1,1 km Luftlinie vom Bahnhof in Elgersburg entfernt, mit ihm auch durch eine direkte 1,1 km lange Straße verbunden, bahntechnisch war die Verbindung aber schwierig, ist 1,7 km lang und mit einem tiefen Felseinschnitt versehen. In Angelroda war man von dem geplanten 26 m hohem Damm alles andere als begeistert, da man befürchtete nun weniger von der "guten Luft", welche in Fallwinden vom Thüringer Wald herunter kam, abbekommen würde. Man wollte deshalb eine möglichst ortsferne Brücke. Diese hätte das auf nunmehr 4.140.000 M veranschlagte Projekt um weitere 27.000 M teurer gemacht, Mittel, welche die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft zugunsten der Angelrodaer Waldbauern nicht aufbringen wollte. Das kleine Dorf Angelroda besaß selber nicht die nötigen finanziellen Mittel für die Verlegung der Strecke, welche dem Erbauer doch nur einen Bruchteil der Kosten verursacht hätte, die allein für die Sonderwünsche des Gothaer Herzogs ausgegeben wurden.
Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt stellte auch Forderungen. Es wollte unbedingt eine Weiterführung der Strecke nach Gehren und weiter nach Schwarzburg, Rudolstadt und Saalfeld. Dort hätte Anschluss an die 1871 eröffnete Strecke Gera-Saalfeld-Eichicht bestanden. Die Baugenehmigung für die Strecke Arnstadt-Ilmenau wurde deshalb nur unter der Maßgabe erteilt, dass binnen 10 Jahren diese Anschlussstrecke zu bauen ist und die gesamte Trasse als zweispurige Hauptstrecke zumindest vorgerüstet wird. Diese Forderung führte dazu, dass alle Viadukte, Bergeinschnitte und Brücken deutlich größer gebaut werden mussten, als es ursprünglich geplant war. Alle Steinbrücken und auch der 825 m lange und bis zu 8,5 m hohe Damm hinter Plaue in Richtung Ilmenau quer durch das Tal der Zahmen Gera (in Plaue wird das Tal 'Sand' genannt) wurden für die spätere Verlegung eines zweiten Gleises dimensioniert, bei den Stahlbrücken wie dem Viadukt über Angelroda wurden aber nur die steinernen Widerlager für zwei Gleise ausgelegt, die stählernen Brücken und Pfeiler hingegen nur eingleisig ausgeführt. Ein zweigleisiger Ausbau der Strecke erfolgte später nur zwischen Arnstadt und Plaue im Zuge des Baus der Hauptstrecke von Plaue über Oberhof und Suhl nach Würzburg und Stuttgart.
Die geforderte Weiterführung der Strecke von Ilmenau nach Gehren erfolgte am 13. November 1881, der geplante Weiterbau nach Königsee und Saalfeld unterblieb jedoch, auch die zeitweilig geplante Weiterführung nach Stadtilm und Weimar durch das Ilmtal wurde nicht gebaut. Königsee wurde 1899 von Rudolstadt aus mit der Schwarzatalbahn erreicht, der Lückenschluss nach Gehren von nur 8 km durch geologisch leicht zu erschließendes Gelände wurde nie gebaut und dies war mitverantwortlich für die spätere Stilllegung beider Stichstrecken wegen fehlender Rentabilität. Die Strecke nach Gehren wurde jedoch am 2. Dezember 1883 nach Großbreitenbach verlängert. Diese ursprünglich nicht geplante Strecke führte zu dem Kuriosum, dass der Bahnhof in Gehren nun ungeplant zum Kopfbahnhof wurde. Die geplante Weiterführung von Großbreitenbach nach Schönbrunn oder Katzhütte (welches die Schwarzatalbahn am 18. August 1900 von Rudolstadt aus erreichte) unterblieb jedoch. Hier hätte insbesondere der nur 7 km lange Anschluss nach Katzhütte die Rentabilität der Strecke enorm verbessert, aber er unterblieb wegen der schwierigen geologischen Situation auf dieser geplanten Verbindung.
Im Ergebnis der zähen Verhandlungen konnte die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft mit allen vier betroffenen Thüringer Fürstentümern Verträge abschließen. Die Unterzeichnung erfolgt mit Sachsen-Weimar-Eisenach am 16. April 1877, mit Sachsen-Coburg-Gotha und Schwarzburg-Rudolstadt am 6. Juni 1877 und mit Schwarzburg-Sondershausen am 27. Juni 1877. Im Winter 1877/78 begann der Holzeinschlag, der erste Spatenstich erfolgte am 23. April 1878 am Kleinen Spiegelsberg zwischen Roda und Elgersburg. Der Bau war in zwei Abschnitte (Arnstadt-Angelroda und Angelroda-Ilmenau) eingeteilt und er erfolgte zeitgleich in allen Bauabschnitten. Durchschnittlich waren in jedem Abschnitt 300 Arbeiter tätig. Unter ihnen waren sehr viele Arbeiter aus Italien, Kroatien, Polen und Tirol. Der Verdienst betrug im Sommer 3,50 M bis 4,50 M pro Tag, im Winter wegen der kürzeren Tage 2,25 M bis 3,25 M pro Tag. Tagelöhner erhielten 2,25 M pro Tag. Wärend der Bauarbeiten kamen 5 Arbeiter bei Arbeitsunfällen zu Tode, weiterhin gab es 5 Schwer- und 11 Leichtverletzte. Im Wesentlichen wurde die Strecke in Handarbeit erbaut, ab Arnstadt kam eine Feldbahn zum Einsatz.
Die herausragendsten Leistungen waren der bis zu 26 m tiefe Felseinschnitt bei der Zufahrt durch den Berg auf die Brücke in Angelroda und die Erdbewegungen für den 825 m langen und bis zu 8,5 m hohen Damm bei Plaue. Für diesen Damm wurden 90.000 m³ Gestein unterhalb und 150.000 m³ oberhalb der Strecke aus dem Fels gebrochen. Hierbei kam eine Standseilbahn zum Einsatz, welche auf einem zuvor errichtetem und den späteren Bahndamm markierenden Holzgerüst fuhr, von dem aus das Gestein für den Damm heruntergeschüttet wurde. Das Holzgerüst verblieb später im fertigen Damm. Fast auf der gesamten Strecke musste der Boden mit Sprengladungen gelockert werden. Dabei kamen 2.950 kg Dynamit, 8.810 kg Schwarzpulver und 115.000 Zündhütchen in ca. 10.000 Bohrlöchern zum Einsatz.
Die Strecke hat ab Plaue Steigungen von 1:50 bis 1:70 und stellt mit ihre Radien von teilweise nur 300 m eine echte Gebirgsstrecke dar. Die größte Bruchsteinbrücke der Strecke ist die Marienbrücke bei Plaue. Sie überspannt am Kilometer 15,9 die ehemalige B4. Die größte Brücke der Strecke überhaupt ist das in einer Kurve liegende Viadukt in Angelroda. Es ist 26,5 m hoch, 100,4 m lang und besteht aus drei Feldern. Für die Brücke wurden 253 t Stahl verarbeitet. Errichtet wurde sie in einer damals sehr innovativen Methode über Hilfsgerüste als eingeschobene Brücke. Die einzelnen Glieder der Brücke wurden dazu auf den Vorsprüngen des Viadukts montiert und über Seilzüge in Richtung Brückenpfeiler verschoben. Die Lage der gesamten Brücke in einem engen Gleisbogen erschwerte diesen Brückenbau und stellte auch für die Konstrukteure eine Herausforderung dar. Die ursprünglichen stählernen Gitterkonstruktionen der beiden Pfeiler wurden 1905 zur Erhöhung der Tragfähigkeit in Beton eingegossen. Im Gegensatz zu den Stahlpfeilern wurden die nunmehrigen Betonbrückenpfeiler wieder zur Aufnahme eines nie montierten zweiten Gleises ausgelegt. Auf den neuen breiteren Pfeilern wurde parallel zur bisherigen Brücke eine neue trägfähigere Brücke gebaut, die Gleise auf diese verschwenkt und die alte Brücke mit Ausnahme der eingegossenen alten Brückenpfeiler abgebrochen. Es ist nun die östliche Pfeilerseite unbebaut. Die Mauerwerksstruktur der Brückenpfeiler täuscht und hat nur optischen Charakter. Tatsächlich sind die Pfeiler nicht gemauert sondern ein massiver Betonguss.
Am 6. August 1879 konnte die Strecke Arnstadt-Ilmenau eröffnet werden.
In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges wurde die für das Kriegsgeschehen völlig bedeutungslose Brücke zur Sprengung vorbereitet. Beherzte Angelrodaer Bürger, welche völlig zu Recht durch die Sprengung Schäden an ihren zum Teil unmittelbar an der Brücke stehenden Häusern befürchteten, verzögerten aber die Sprengung bis zum Eintreffen amerikanischer Truppen. In der Zeit des Kalten Krieges befürchtete man Sabotageakte durch den Westen auf die Brücke. Deshalb wurde sie von 1950 bis 1958/59 permanent militärisch bewacht.
Zu DDR-Zeiten trug die Strecke die Kursbuchnummer 622.
Im Sommer 1970 erfolgte die Generalüberholung der Strecke. Alle Gleise wurden ausgetauscht und die Strecke häufig in die Mitte des Gleiskörpers verlegt, da ein zweigleisiger Ausbau wirtschaftlich unsinnig geworden war.
Im August 2012 ist nun erneut eine Rekonstruktion der Brücke fällig. Dazu wurde die Strecke bis November stillgelegt und riesige Mobilkräne hoben die Brücke aus ihrer Lagerung. Sie wird nun ca. 1 km entfernt auf einem Parkplatz rekonstruiert, verstärkt und im November wieder aufgesetzt.
Ich habe dazu mal ein paar Bilder gemacht.
Bild 1: der bis zu 26 m tiefe Einschnitt in Richtung Martinroda
Bild 2: Blick Richtung Martinroda
Bild 3: Blick auf die Pfeiler ohne die Brücke
Bild 4: Detail der Brücke
Bild 5: Blick von oben auf die seltsamerweise treppenförmigen Abstützungen zu den Bahndämmen (gibt es das sonst noch irgendwo?)
PS: Die angeführten Quellen beziehen sich zumeist auf Stefan Wespas Buch: 125 Jahre Eisenbahn in Ilmenau
Als die Arnstädter mit der Bahnstrecke Neudietendorf–Arnstadt ihre Bahn erhielten, wurde auch in Ilmenau der Ruf nach der Eisenbahn immer lauter. Die Bestrebungen scheiterten vorerst am politisch zersplitterten Gelände. So hatten zahlreiche verschiedene Fürstentümer Landesteile im Gebiet zwischen Ilmenau und Arnstadt. Sie wollten der Wirtschaft in ihren Hauptstädten entlang der Querbahn keine weitere Konkurrenz schaffen. Auf der anderen Seite standen die Verkehrsplaner, die bereits weitere Pläne schmiedeten, so z. B. eine Verbindung Ilmenau–Suhl, die zur Strecke Berlin–Stuttgart gehört hätte, sowie eine Verbindung Ilmenau–Saalfeld. Insbesondere Preußen drängte auf eine Anbindung Suhls an das nördliche thüringer Vorland und der Schaffung eines leistungsfähigen Zugangs zur in Suhl befindlichen Waffenindustrie. Ein von den Projektanten bereits in der frühen Planungsphase vorgesehener späterer Weiterbau der Strecke über Stützerbach nach Suhl kam nicht zur Ausführung, da keine Einigung zwischen den berührten Ländern zustande kam und die Baukosten zu hoch ausfielen. Bei dieser Variante wäre der Kamm des Thüringer Waldes mit einem ca. 2000 m langen Tunnel im Bereich der Schmücke/Großer Finsterberg unterquert worden.
Als 1876 die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft die Strecke von Arnstadt bis Ilmenau weiterführen wollte, mussten schwierige Verhandlungen mit den verschiedenen Staatsvertretern geführt werden. Der größte Widerstand kam dabei von Ernst II., dem Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha. Der Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft war bekannt, dass der Herzog gerne in Elgersburg verweilte und man wollte ihm mit einem ursprünglich dem Tal der Zahmen Gera folgenden Streckenführung entgegen kommen und über Gera, Arlesberg (die Orte fusionierten zu Geraberg) Elgersburg erreichen. Diese Planung scheiterte am anfänglichen Widerstand des Herzogs, der eine eigene Strecke von Ohrdruf nach Elgersburg bauen wollte, welche nur über sein Hoheitsgebiet verlaufen würde, und auch wegen Protesten Geschwendaer Bürger gegen die Bahn. Die Bürger befürchteten, dass ständige Kesselexplosionen das Land verwüsten, der Rauch der Loks die Luft verpesten, das Gras bitter machen und die Kühe beim Anblick der Ungetüme nur noch sauere Milch geben würden - ein gängiges Vorurteil in der damaligen Zeit mit dem sich z.B. auch Georg Stephenson schon in England herumschlagen musste. Die in Folge dessen geplante komplette Trassierung im Reichenbachtal über Martinroda wurde dort sehr begrüßt und Martinroda stellte kostenlos jede gewünschte Trasse zur Verfügung. Diese Streckenführung scheiterte aber am nun neuerlichen Veto des Gothaer Herzogs. Da seine Wunschstrecke von Ohrdruf nach Elgersburg sich als viel zu teuer herausstellte, musste er dieses Vorhaben aufgeben und bedurfte nun eines Bahnhofs in Elgersburg an der Strecke Arnstadt-Ilmenau. Seine Zustimmung wurde aber auch gebraucht, da man sein Hoheitsgebiet im Abschnitt Arnstadt-Plaue befahren musste. Die alleinige Trassierung im Reichenbachtal hätte Elgersburg aber nicht mehr berührt, wäre aber dafür um vieles billiger gewesen. Jedoch war man von der Zustimmung des Herzogs abhängig und erfüllte deshalb seinen Wunsch auf einen großen und repräsentativen Bahnhof in Elgersburg, in dem zusätzliche Gleise für die Bereitstellung seiner Sonderzüge permanent zur Verfügung stehen mussten. Die nun erforderliche Trassierung mit den aufwändigen und teuren Kunstbauten in Angelroda wurde nun nötig, um doch noch die Zusicherung gegenüber Martinroda erfüllen zu können, auch wenn der Bahnhof von Martinroda nun nicht mehr im Ort sondern 2 km entfernt davon gebaut werden musste. Martinroda und Geraberg (damals noch Gera genannt) stellten aber wie zugesagt alle Grundstücke der Trasse faktisch kostenlose bereit. Durch die neue Trassierung erhielt Geraberg nun wieder einen Bahnhof. Dieser ist zwar nur ca. 1,1 km Luftlinie vom Bahnhof in Elgersburg entfernt, mit ihm auch durch eine direkte 1,1 km lange Straße verbunden, bahntechnisch war die Verbindung aber schwierig, ist 1,7 km lang und mit einem tiefen Felseinschnitt versehen. In Angelroda war man von dem geplanten 26 m hohem Damm alles andere als begeistert, da man befürchtete nun weniger von der "guten Luft", welche in Fallwinden vom Thüringer Wald herunter kam, abbekommen würde. Man wollte deshalb eine möglichst ortsferne Brücke. Diese hätte das auf nunmehr 4.140.000 M veranschlagte Projekt um weitere 27.000 M teurer gemacht, Mittel, welche die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft zugunsten der Angelrodaer Waldbauern nicht aufbringen wollte. Das kleine Dorf Angelroda besaß selber nicht die nötigen finanziellen Mittel für die Verlegung der Strecke, welche dem Erbauer doch nur einen Bruchteil der Kosten verursacht hätte, die allein für die Sonderwünsche des Gothaer Herzogs ausgegeben wurden.
Das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt stellte auch Forderungen. Es wollte unbedingt eine Weiterführung der Strecke nach Gehren und weiter nach Schwarzburg, Rudolstadt und Saalfeld. Dort hätte Anschluss an die 1871 eröffnete Strecke Gera-Saalfeld-Eichicht bestanden. Die Baugenehmigung für die Strecke Arnstadt-Ilmenau wurde deshalb nur unter der Maßgabe erteilt, dass binnen 10 Jahren diese Anschlussstrecke zu bauen ist und die gesamte Trasse als zweispurige Hauptstrecke zumindest vorgerüstet wird. Diese Forderung führte dazu, dass alle Viadukte, Bergeinschnitte und Brücken deutlich größer gebaut werden mussten, als es ursprünglich geplant war. Alle Steinbrücken und auch der 825 m lange und bis zu 8,5 m hohe Damm hinter Plaue in Richtung Ilmenau quer durch das Tal der Zahmen Gera (in Plaue wird das Tal 'Sand' genannt) wurden für die spätere Verlegung eines zweiten Gleises dimensioniert, bei den Stahlbrücken wie dem Viadukt über Angelroda wurden aber nur die steinernen Widerlager für zwei Gleise ausgelegt, die stählernen Brücken und Pfeiler hingegen nur eingleisig ausgeführt. Ein zweigleisiger Ausbau der Strecke erfolgte später nur zwischen Arnstadt und Plaue im Zuge des Baus der Hauptstrecke von Plaue über Oberhof und Suhl nach Würzburg und Stuttgart.
Die geforderte Weiterführung der Strecke von Ilmenau nach Gehren erfolgte am 13. November 1881, der geplante Weiterbau nach Königsee und Saalfeld unterblieb jedoch, auch die zeitweilig geplante Weiterführung nach Stadtilm und Weimar durch das Ilmtal wurde nicht gebaut. Königsee wurde 1899 von Rudolstadt aus mit der Schwarzatalbahn erreicht, der Lückenschluss nach Gehren von nur 8 km durch geologisch leicht zu erschließendes Gelände wurde nie gebaut und dies war mitverantwortlich für die spätere Stilllegung beider Stichstrecken wegen fehlender Rentabilität. Die Strecke nach Gehren wurde jedoch am 2. Dezember 1883 nach Großbreitenbach verlängert. Diese ursprünglich nicht geplante Strecke führte zu dem Kuriosum, dass der Bahnhof in Gehren nun ungeplant zum Kopfbahnhof wurde. Die geplante Weiterführung von Großbreitenbach nach Schönbrunn oder Katzhütte (welches die Schwarzatalbahn am 18. August 1900 von Rudolstadt aus erreichte) unterblieb jedoch. Hier hätte insbesondere der nur 7 km lange Anschluss nach Katzhütte die Rentabilität der Strecke enorm verbessert, aber er unterblieb wegen der schwierigen geologischen Situation auf dieser geplanten Verbindung.
Im Ergebnis der zähen Verhandlungen konnte die Thüringische Eisenbahn-Gesellschaft mit allen vier betroffenen Thüringer Fürstentümern Verträge abschließen. Die Unterzeichnung erfolgt mit Sachsen-Weimar-Eisenach am 16. April 1877, mit Sachsen-Coburg-Gotha und Schwarzburg-Rudolstadt am 6. Juni 1877 und mit Schwarzburg-Sondershausen am 27. Juni 1877. Im Winter 1877/78 begann der Holzeinschlag, der erste Spatenstich erfolgte am 23. April 1878 am Kleinen Spiegelsberg zwischen Roda und Elgersburg. Der Bau war in zwei Abschnitte (Arnstadt-Angelroda und Angelroda-Ilmenau) eingeteilt und er erfolgte zeitgleich in allen Bauabschnitten. Durchschnittlich waren in jedem Abschnitt 300 Arbeiter tätig. Unter ihnen waren sehr viele Arbeiter aus Italien, Kroatien, Polen und Tirol. Der Verdienst betrug im Sommer 3,50 M bis 4,50 M pro Tag, im Winter wegen der kürzeren Tage 2,25 M bis 3,25 M pro Tag. Tagelöhner erhielten 2,25 M pro Tag. Wärend der Bauarbeiten kamen 5 Arbeiter bei Arbeitsunfällen zu Tode, weiterhin gab es 5 Schwer- und 11 Leichtverletzte. Im Wesentlichen wurde die Strecke in Handarbeit erbaut, ab Arnstadt kam eine Feldbahn zum Einsatz.
Die herausragendsten Leistungen waren der bis zu 26 m tiefe Felseinschnitt bei der Zufahrt durch den Berg auf die Brücke in Angelroda und die Erdbewegungen für den 825 m langen und bis zu 8,5 m hohen Damm bei Plaue. Für diesen Damm wurden 90.000 m³ Gestein unterhalb und 150.000 m³ oberhalb der Strecke aus dem Fels gebrochen. Hierbei kam eine Standseilbahn zum Einsatz, welche auf einem zuvor errichtetem und den späteren Bahndamm markierenden Holzgerüst fuhr, von dem aus das Gestein für den Damm heruntergeschüttet wurde. Das Holzgerüst verblieb später im fertigen Damm. Fast auf der gesamten Strecke musste der Boden mit Sprengladungen gelockert werden. Dabei kamen 2.950 kg Dynamit, 8.810 kg Schwarzpulver und 115.000 Zündhütchen in ca. 10.000 Bohrlöchern zum Einsatz.
Die Strecke hat ab Plaue Steigungen von 1:50 bis 1:70 und stellt mit ihre Radien von teilweise nur 300 m eine echte Gebirgsstrecke dar. Die größte Bruchsteinbrücke der Strecke ist die Marienbrücke bei Plaue. Sie überspannt am Kilometer 15,9 die ehemalige B4. Die größte Brücke der Strecke überhaupt ist das in einer Kurve liegende Viadukt in Angelroda. Es ist 26,5 m hoch, 100,4 m lang und besteht aus drei Feldern. Für die Brücke wurden 253 t Stahl verarbeitet. Errichtet wurde sie in einer damals sehr innovativen Methode über Hilfsgerüste als eingeschobene Brücke. Die einzelnen Glieder der Brücke wurden dazu auf den Vorsprüngen des Viadukts montiert und über Seilzüge in Richtung Brückenpfeiler verschoben. Die Lage der gesamten Brücke in einem engen Gleisbogen erschwerte diesen Brückenbau und stellte auch für die Konstrukteure eine Herausforderung dar. Die ursprünglichen stählernen Gitterkonstruktionen der beiden Pfeiler wurden 1905 zur Erhöhung der Tragfähigkeit in Beton eingegossen. Im Gegensatz zu den Stahlpfeilern wurden die nunmehrigen Betonbrückenpfeiler wieder zur Aufnahme eines nie montierten zweiten Gleises ausgelegt. Auf den neuen breiteren Pfeilern wurde parallel zur bisherigen Brücke eine neue trägfähigere Brücke gebaut, die Gleise auf diese verschwenkt und die alte Brücke mit Ausnahme der eingegossenen alten Brückenpfeiler abgebrochen. Es ist nun die östliche Pfeilerseite unbebaut. Die Mauerwerksstruktur der Brückenpfeiler täuscht und hat nur optischen Charakter. Tatsächlich sind die Pfeiler nicht gemauert sondern ein massiver Betonguss.
Am 6. August 1879 konnte die Strecke Arnstadt-Ilmenau eröffnet werden.
In den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges wurde die für das Kriegsgeschehen völlig bedeutungslose Brücke zur Sprengung vorbereitet. Beherzte Angelrodaer Bürger, welche völlig zu Recht durch die Sprengung Schäden an ihren zum Teil unmittelbar an der Brücke stehenden Häusern befürchteten, verzögerten aber die Sprengung bis zum Eintreffen amerikanischer Truppen. In der Zeit des Kalten Krieges befürchtete man Sabotageakte durch den Westen auf die Brücke. Deshalb wurde sie von 1950 bis 1958/59 permanent militärisch bewacht.
Zu DDR-Zeiten trug die Strecke die Kursbuchnummer 622.
Im Sommer 1970 erfolgte die Generalüberholung der Strecke. Alle Gleise wurden ausgetauscht und die Strecke häufig in die Mitte des Gleiskörpers verlegt, da ein zweigleisiger Ausbau wirtschaftlich unsinnig geworden war.
Im August 2012 ist nun erneut eine Rekonstruktion der Brücke fällig. Dazu wurde die Strecke bis November stillgelegt und riesige Mobilkräne hoben die Brücke aus ihrer Lagerung. Sie wird nun ca. 1 km entfernt auf einem Parkplatz rekonstruiert, verstärkt und im November wieder aufgesetzt.
Ich habe dazu mal ein paar Bilder gemacht.
Bild 1: der bis zu 26 m tiefe Einschnitt in Richtung Martinroda
Bild 2: Blick Richtung Martinroda
Bild 3: Blick auf die Pfeiler ohne die Brücke
Bild 4: Detail der Brücke
Bild 5: Blick von oben auf die seltsamerweise treppenförmigen Abstützungen zu den Bahndämmen (gibt es das sonst noch irgendwo?)
PS: Die angeführten Quellen beziehen sich zumeist auf Stefan Wespas Buch: 125 Jahre Eisenbahn in Ilmenau